Ani DiFranco - Live at Babeville
Die DVD dokumentiert ein Konzert, das Ani DiFranco vor gut einem Jahr in Buffalo, N.Y., gegeben hat, zeigt also, wo sie momentan in ihrer künstlerischen Entwicklung steht. Sie spielt darauf Songs aus ihrer gesamten Karriere, so daß man einen ganz guten Eindruck davon bekommt, in welchen Ecken sie sich umgeschaut hat.
Schauplatz des Konzerts ist - und schon allein das ist eine Story, die ich gern mal in der Zeitung lesen würde - ein 135 Jahre altes Gebäude, das ursprünglich als methodistische Kirche diente, dann lange leer stand und kurz vor dem Verfall war, bevor es Anis Plattenlabel gekauft und renoviert hat. Righteous Babe Records hat heute dort nicht nur seine Büros, sondern auch einen eigenen Veranstaltungsort.
Die Band besteht aus geschätzt sechs Leuten - Kontrabaß, Vibra- bzw. Marimbaphon, einem von Allison Miller excellent gespielten Schlagzeug, und Ani, die allein drei Musiker stellt: die Sängerin, sowie mindestens zwei parallel spielende Gitarristen. Man glaubt es eigentlich erst, wenn man es sieht (und auch dann vermutetet man noch irgendein hinzugemischtes Playback vom Tonband): was diese Frau auf der Gitarre drauf hat, ist schon ganz unglaublich. Das gilt sowohl für die Technik zumal der rechten Hand (sie hat, was ich schon vermutetet hatte, Fingerpicks auf sämtlichen(!) Fingern), als auch für diese stupende Sicherheit, mit der sie die Grooves einfach rollen läßt, und nebenbei dem Publikum irgendwelche Storys über die Geburt ihrer Tochter erzählt.
Der Höhepunkt der DVD findet sich dann (m.E.) auch in den beiden unbegleiteten Stücken, wo sie es hinbekommt, ein voll besetztes Haus mit einer von einer einsammen Gitarre begleiteten Up-Time-Nummer zum Ausrasten zu bekommen ("Shy") - ich kenne keinen zweiten Musiker, dem ich dieses Kunststück zutrauen würde.
Ein sehr netter Service auf DVDs ist ja, daß man sich Untertitel einblenden lassen kann. Für einen Nicht-Muttersprachler ist das eine echte Hilfe, und erspart das mühsame (und ablenkende) Mitlesen im Textbuch - wobei Anis Texte eine ganze Reihe eher selten gebrauchter Vokabeln und umgangssprachlicher Wendungen enthalten, die ich auch so nicht auf Anhieb verstehe.
Weniger überzeugt bin ich von der Soundqualität. Es gibt zwei Tonspuren, eine in PCM-Stereo, eine in 5.1 Surround; die Surround-Spur hat eine derart unbestimmte Räumlichkeit, daß ich schleunigst umgeschaltet habe - die Stereo-Spur ist zwar besser, mir aber deutlich zu basslastig. Generell ist der Mix nicht wirklich sauber; das Vibraphon matscht stellenweise das Klangbild derart zu, daß man die Akkorde nicht mehr zuordnen kann - aber bei Live-Aufnahmen lassen sich solche Probleme generell schwer lösen.
Von der Bildregie hätte ich mir gewünscht, daß sie sich ein bißchen weniger an MTV&Co. orientiert hätte - es wird in nahezu jedem Takt geschnitten, möglichst noch in eine wilde Kamerafahrt hinein.
Genug gemeckert. Nachdem mich Anis letztes Album ("Red Letter Year") nicht wirklich begeistert hatte, hat mich diese DVD gewissermaßen zurückgeholt - ihre nächste CD werde ich unbesehen kaufen. Davon abgesehen wäre ich wirklich gern mal "live" dabei.