Wolfgang Amadeus Mozart - Messe in c
Die c-moll-Messe stellt ohne Frage einen Höhepunkt in Mozarts Schaffen dar - umso wunderlicher wirkt es, über welche Brüche und Widersprüche man hier stolpert.
Zunächst wird man jemanden, der von Mozart nur die "Nachtmusik" und vergleichbare unterhaltsame Spielereien kennt, schwer davon überzeugen, daß etwa das "Gratia" - das mit Chor und großem Orchester besetzt ist und mit einer Dissonanz schon startet, bevor es in chromatischen Vorhalten fortschreitet und nicht zur Ruhe kommt - vom selben Komponisten stammt. Auch die Arien[1] sind alles andere als typisch für den gewohnten Mozartstil: es gibt keine Melodie, die von einigen Akkorden begleitet wird, sondern hier ist alles Melodie, selbst der Baß, selbst die zweite oder dritte Stimme in den Mittellagen. Anhand solcher Merkmale würde ich zunächst auf Barock tippen - nicht auf Johann Sebastian Bach (dafür gibt es einige Ecken und Kanten zuviel, wie auch einige harmonische Bewegungen fast zu vorhersehbar sind), aber vielleicht auf einen der "kleinen" (deshalb nicht "geringen") Meister jener Epoche. Doch auch für eine solche Zuordnung gibt es viel zu viele merkwürdige Brüche, erst zwischen den einzelnen Abschnitten, dann aber auch innerhalb der Sätze selbst.
Am auffälligsten empfinde ich den Kontrast all der polyphon ausgestalteten Sätze zum "Credo", das in seinen monophonen(!) Passagen schon eine fast polternde Heiterkeit verbreitet - wobei gut: die gibt es z.B. in einigen Neujahrkantaten Bachs ebenso.
Das "Kyrie" zerfällt in zwei deutlich hörbar kontrastierende Teile: den überaus düsteren Beginn in c-moll, der Bach fast zu zitieren scheint, und die Sopran-Arie im Mittelteil in Es-Dur. Der Wechsel von Moll nach Dur ist natürlich nicht ungewöhnlich, und jener in die parallele Durtonart erst recht nicht; was jedoch verwirrt, ist ein drastischer Stilbruch. Zunächst war die Harmonik von chromatischen Baßbewegungen geprägt, und der Statik der Akkordbrechungen in den Oberstimmen der Geigen wird ein komplexer polyphoner Chorsatz entgegen gestellt - so kennt man das aus dem Eingang vieler Passionen und Messen im Barock. Plötzlich löst sich jedoch eine Solostimme (der Sopran), die Harmonik wird zu simplen Dreiklang-Kandenzen, und es gibt keine Nebenstimmen mehr - so kennt man das aus der "Zauberflöte".
Es ist mehr als bewundernswert, wie es Mozart gelingt, dieses Auseinanderfallen in der Folge geradezu ungeschehen zu machen: er verbindet das Sopransolo mit der Reprise des Chorsatzes in einer bruchlosen Logik, die beim ersten Hören gar nicht auffällt, und beim bewußten Mitlesen der Partitur ungläubiges Staunen hervorruft.