17.7.2008

Franz Schreker - Die Gezeichneten

Franz Schreker (1878 - 1934)
Die Gezeichneten
Oper in drei Akten
Text vom Komponisten

Als am 25.April 1918 die Uraufführung von "Die Gezeichneten" im Frankfurter Opernhaus statt findet, ist man mitten in den letzten Kriegsanstrengungen: am 21.März 1918 beginnt der Versuch des deutschen Heeres, mit der Frühjahrsoffensive den Stellungskrieg zu beenden und am Ende doch noch einen Siegfrieden zu erzwingen.

Man muß sich diese Situation vor Augen halten: die Welt führt einen ihrer schlimmsten Kriege, der am Ende ca. 20 Millionen Tote fordern wird, in Deutschland ist die Zivilbevölkerung am Hungern - und man bekommt die Kräfte versammelt, um eine dreistündige, hochkomplexe Partitur einzustudieren und aufzuführen, die mindestens fünf hochkarätige Sänger-Solisten, einen Chor, und ein mehr als hundert Musiker umfassendes Orchester fordert.

Dann ist diese Oper noch ein großer Erfolg: im Jahr 1920 wird sie zum ersten Mal in Wien aufgeführt - und auf dem Plakat wird damit geworben, daß sie in den zwei Jahren zuvor bereits sechundsechzig(!) Mal in fünf(!!) Städten aufgeführt wurde. Dies findet statt in einer Zeit, die von den Kriegsfolgen noch nicht im Mindesten zur Ruhe gekommen, geschweige denn geheilt ist. Die Weimarer Republik wird ausgerufen und mit einem verheerenden Bündnis aus Sozialdemokraten und Freikorps blutig durchgesetzt, der Kapp-Putsch bringt das Land kurz vor einen Bürgerkrieg, die Städte sind voll von heimgekehrten Soldaten, die ihre Waffen noch bei sich tragenden, der Hunger ist wohlbekannter Begleiter im Alltag - und eine Musik feiert größte Erfolge, die in ihrer Komplexität bisher unerhört war, und völlig neue Wege geht.

Man muß sich diese Situation vor Augen führen, um eine Ahnung davon zu bekommen, was für einen Stellenwert Musik einst hatte, bevor sie der banale Krach des Straßenverkehrs, der ewige Hintergrund aus Kaufhausmusik und Techno-Gewummer, das Reden und Rufen in die Handys, gnadenlos übertönte.

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrthum.

(Nietzsche)

Ich würde diesen Satz - auf unsere Zeit gewendet - so formulieren: In jenem Maß, in dem das Leben ohne Musik ist, zeigt sich dessen Irrsinn.

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