26.6.2008

Erkki-Sven Tüür - Violinkonzert

Isabelle van Keulen
City of Birmigham Symphony Orchestra
Paavo Järvi
ECM New Series, 2003


Erkki-Sven Tüür ist 1959 in Estland geboren, gründete als Jugendlicher eine in seiner Heimat durchaus populäre Rockband, und wurde zum Komponisten am Konservatorium in Tallin Anfang der Achtziger ausgebildet. Dieses Pendeln zwischen Pop und "Klassik" merkt man auch seiner Musik an: sie speist sich aus unterschiedlichsten Stilen. Mich erinnert das öfters an den Minimalismus in der Ausprägung durch John Adams, wo stark rhythmisierte Passagen in immer enger geführten Clustern gesteigert werden, um - im Abbrechen - eine neue Schicht freizulegen, die zuvor in der Komplexität verborgen war. Tüür schreibt aber auch sehr ruhige Sachen - solche, die sich nicht vor der Nähe zur Tonalität fürchten, sondern mit Reibungen spielen, die den ihnen zugrundeliegenden Drei- oder Vierklang eher offenkundig machen, als ihn zu verstecken.

Das Violinkonzert bietet einen guten Einstieg nicht nur in das Werk eines begabten Komponisten aktueller Kunstmusik, sondern generell in den "Elfenbeinturm" der Postmoderne - und der ist keineswegs so weit weg von der Realität - sprich: der Hör- und Erschließbarkeit -, wie mancher befürchtet, der mit "ernster" Musik nach 1945 immer noch die Experimente der Seriellen Musik oder die elektronischen Geräuschkulissen Stockhausens assoziiert. Wie bei vielen anderen Komponisten seiner Generation geht es Tüür nicht um den Versuch, um jeden Preis Neuland zu entdecken (nur um frustriert feststellen zu müssen, daß dieses längst besiedelt ist), sondern er schreibt mit einer gewissen Unbekümmertheit nichts Unentdecktes, aber ebensowenig altbekannt-Langweiliges.

Ich mache gar nicht erst den Versuch, das dreisätzige Werk genauer zu analysieren - es erschließt sich jedem, der unbefangen zuhört, ganz selbstverständlich. Es gibt keine intellektuell überhöhten Verrenkungen, die eh kein Mensch hörend nachvollziehen kann, sondern ein intelligentes Musikantentum, das Form aus Kontrasten entstehen läßt, und Strukturen aus Bausteinen schafft, die man auf Anhieb erinnern kann.

Tüür ist nicht der neue Mozart, und ich vermute, daß er keine eigene Schule begründen oder gar in zweihundert Jahren zu den Großen seiner Zeit gezählt werden wird. Seine Musik ist jedoch - im Spannungsfeld zwischen popkultureller Verblödung und nur noch für den Intellekt gebauten Werken der Avantgarde - etwas, was höchst selten wurde: hörenswert.

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