Franz Schubert - Klaviersonate a-moll, D 845
Wenn man bei Schuberts a-moll-Sonate raten sollte, wer ihr Autor ist, würde man alles mögliche tippen, nur eben nicht Schubert - zumindest, wenn man es nicht besser weiß und ihn (so wie ich lange Jahre) für den Komponisten von beschaulichen Liedern im Volkston hält.
Der erste Satz - mit "Moderato" überschrieben - ist geradezu eine Parodie[1] auf den Gedanken des Sonatenhauptsatzes. Es ist kaum möglich, ein zweites Thema von diversen Überleitungen zu unterscheiden. Das erste Thema wird immer wieder, in leichten Variationen, wiederholt, ohne daß es zu einer echten thematischen Arbeit, zu einer Entwicklung käme. Dann gibt es mehrfach einen von einer Generalpause quittierten Abbruch im pianissimo - als ob völlig unklar wäre, ob und wie es weiter geht.
Auch die übrigen Sätze sind geprägt von solchen Brüchen - als würde jemand verzweifelt fragen, was nach all dem Elend folgen soll. Das erinnert überhaupt nicht an Beethoven (der zum Zeitpunkt des Entstehens der Sonate (1825) noch am Leben und im Zenit seines Ruhmes war), sondern an die Mondlandschaften Bruckners - bloß daß Schubert nicht die klanglichen und dynamischen Möglichkeiten eines Riesenorchesters braucht, um sie zu malen.
Mich erstaunt im nachhinein, wieso ich derart lange gebraucht habe, um zu Schuberts Musik Zugang zu bekommen. Ein Hindernis immerhin kenne ich jetzt: die ersten fünfhundert im Deutsch-Verzeichnis katalogisierten Werke hat Schubert geschrieben, als er im Alter zwischen sechzehn und neunzehn Jahren sein Handwerk lernte - und in diese Reihe gehören immerhin sechs der acht Sinfonien. Die zweite Hälfte seines Schaffens ist qualitativ völlig davon losgelöst [2] - hier gibt es m.E. nicht ein einziges schwaches Werk, vielleicht sogar keine mißratene Note.
- [1] Der Begriff Parodie konnotiert heute hauptsächlich spöttische Übertreibung; gemeint ist mit dem Wort aber in erster Linie Verzerrung.
- [2] Es gibt hier gewisse Parallelen zu Mozart, der schon als Kind Proben eines unglaublichen Talents abgegeben hat, das aber erst nach einer umfassenden Ausbildung wirklich zur Geltung kam.