12.4.2008

Menschennatur (1)

(Themenanfang)

Man sagt, die Religionen geben Antwort auf die Frage nach dem Sinn. Sinnlos wäre es, im Angesicht des gewissen Todes zu leben, ohne tieferen Grund. Letztlich sei also die Angst vor dem Tod die Ursache für das Entstehen von Religionen.

Ich sehe das genau anders herum: die Religionen sind die Ursache für die Angst vor dem Tod. Sie schaffen etwas, über das sie hinterher zu trösten vorgeben. Ohne dieses ganze Brimborium um Wiedergeburt, Schuld und Sühne etc. würde kein Mensch sich Sorgen über eine Sache machen, die er eh jeden Tag erlebt: das Verschwinden der eigenen Person.

Um zu verdeutlichen, was ich damit meine, muß ich gar nicht so tief einsteigen und zeigen, daß der Begriff des Individuums eine Erfindung der Neuzeit ist, und keineswegs eine menschlich-universelle Konstante. Es genügt der Hinweis auf die Naturhaftigkeit des Menschen. Jeder Mensch verschwindet ständig in Natur. Wer glaubt, er sei in sich selbst identisch, übersieht dieses vollständige, absolute Anderssein in sich selber.

Natur ist ewig, Zeit kennen nur die Individuen. Individuum zu werden bedeutet, sich der Zeitlichkeit auszusetzen, und sobald man darüber reflektiert, beginnt die Angst vor dem Ende. Man kann die Reflexion jedoch auch andersherum beginnen, mit der Frage nach der eigenen Verwurzlung in Natur, oder anders: nach dem ewigen Kern in jedem von uns.

Der letzte Absatz ist die esoterische Simpelversion. Es geht noch weitaus verzwickter: die theoretische Physik etwa spekuliert über zehn Dimensionen, in denen Zeit und Raum nur Spezialfälle sind - nicht etwa, weil die Herren nichts zu tun haben, sondern weil es Beobachtungen gibt, die sich momentan nicht anders erklären lassen.

Wenn mir - in einer Situation, in der nicht einmal Begriffe wie Zeit und Ewigkeit klar definiert sind - jemand erklären kann, was Bewußtsein ist, würde ich eventuell beginnen, mir Sorgen darüber zu machen, was passiert, wenn mein Körper stirbt, und ob ich eine Seele habe. Bis dahin halte ich beide Fragen schlicht für falsch gestellt.

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