29.2.2008

Abendländische Kunstmusik

Wenn man mich fragt, was für Musik ich höre, würde man erwarten, daß ich sage: "Klassik". Das ist ungefähr so, als müßten die Hörer von Hardrock, Hiphop, Oldtime- wie New Jazz auf dieselbe Frage mit "Pop" antworten.

Unter dem Label "Klassik" versammeln sich neben Andre Rieu, Filmmusik und Operette lächerliche vierhundert Jahre Musikgeschichte, mit einem gigantischen Fundus an völlig unterschiedlichen Stilen, vom frühen Barock Monteverdis bis zu den dekonstruktionistischen Experimenten Lachenmanns. Man sollte meinen, daß da eine gewisse Differenzierung nötig sei - sie ist es nur deshalb nicht, weil dieser riesige Wust unterschiedlichster Musik zusammen gerade einen Prozent aller verkaufter CDs ausmacht. Differenzierung von Sprache (bzw. ihr Fehlen) als Konsequenz von Marktmacht - hier findet sich ein anschauliches Beispiel.

"Klassik" - so es sie in der Musik je gegeben hat - wären Haydn, Mozart, Beethoven. Dabei ist Haydn noch stark im Barock verwurzelt, und Beethoven bereitet die Romantik vor, bliebe eigentlich nur Mozart. Bloß: welcher Mozart? Der Komponist von leichten Singspielen? von Opera seria? von Kirchenmusik, die barocke Techniken mit italienischem Arienstil kombiniert? von... - ich kann lange so weitermachen. Mozart unterscheidet sich von den Arctic Monkeys, auf die man das Etikett "Alternativ" bequem kleben kann, weil jedes ihrer Stücke sich identischer Stilmittel bedient, gerade dadurch, daß er sich nahezu beliebiger Stilmittel bedienen kann, und dennoch immer unverkennbar Mozart bleibt.

    Der Begriff "Klassik" hat demnach drei Fehler: er
  • ist ein Label für die Musikindustrie, jedoch kein Begriff, nichts von semantischer Bedeutung.
  • vereint eine unvereinbare Mannigfaltigkeit.
  • stempelt eine Musik mit einem Label, deren Wesen es ist, sich einem Label zu entziehen.

Ich habe dieses Wort jedenfalls zum letzten Mal benutzt.

(Nachtrag.)

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