7.7.2012

Falsche Propheten

Liebe Mitbürger,

die Entscheidungen, zu denen sich die Kanzlerin auf dem Gipfeltreffen der EU-Länder gezwungen sah, waren falsch. Wir, Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler der deutschsprachigen Länder, sehen den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit großer Sorge.

Etc. pp. – man muß nicht Peter Bofinger heißen, um das für schlimmste Stammtischökonomie zu halten (eine gute und knappe Zusammenfassung der Argumente gegen diesen Unsinn gibt Mark Schieritz beim Herdentrieb).

Jene, die sich hier (im Dunstkreis um Hans-Werner Sinn und den INSM) als ökonomische Elite gerieren, machen mit diesem Aufruf unmißverständlich deutlich, daß es eine Gruppe von Lobbyisten der Finanzwirtschaft geschafft hat, sich nicht nur als „Berater“ der Politik zu empfehlen, sondern sich auch als „Wissenschaftler“ an den Universitäten festzusetzen.

J. Bradford DeLong (und das ist kein Irgendwer) bringt das in einen Kontext (langes Zitat; man sollte besser gleich den kompletten Text in der FTD lesen):

Diejenigen unter uns Ökonomen, die wir tief in die Wirtschafts- und Finanzgeschichte eingetaucht sind, haben Grund, auf unsere Analysen während der vergangenen fünf Jahre stolz zu sein. Uns war klar, dass der rasche Anstieg der Häuserpreise, im Verbund mit der zunehmenden Fremdkapitalisierung, gesamtwirtschaftlich gefährlich war. Wir erkannten, dass hohe, durch Blasen bedingte Verluste bei von fremdkapitalisierten Finanzinstituten gehaltenen Vermögenswerten eine panikartige Flucht in sichere Anlagen herbeiführen würde und dass zur Verhinderung einer tiefen Depression der Staat zum Kreditgeber letzter Instanz werden müsste.

Tatsächlich war uns klar, dass Einsparungen sich als unzureichend erweisen würden, souveräne Staaten gegenseitig ihre Solvenz würden garantieren müssen und ein vorschneller Entzug der Unterstützung enorme Gefahren bergen würde. Wir wussten, dass verfrühte Versuche, ein langfristiges Haushaltsgleichgewicht herbeizuführen, die kurzfristige Krise verschlimmern und daher kontraproduktiv sind. Und uns war klar, dass ein beschäftigungsloser Aufschwung drohte.

In all diesen Fragen hatten geschichtlich denkende Ökonomen recht. Diejenigen dagegen, die erklärten, dass es keinen Abschwung geben würde, sondern eine schnelle Konjunkturerholung oder dass die wahren wirtschaftlichen Probleme struktureller Art wären oder dass die Stützung der Konjunktur zu Inflation führen würde oder dass eine sofortige Sparpolitik expansiv wirken würde, lagen falsch. Nicht nur ein bisschen, sondern völlig.

Was nun allerdings überrascht, ist, wie wenige dieser falschen Propheten ihre Vorstellungen in irgendeiner Weise an die Marktentwicklung angepasst haben. Im Gegenteil: Viele dieser Ökonomen vertreten, nun da ihr Ruf dahin ist, diese Überzeugungen umso entschiedener - wohl in der Hoffnung, dass sich die Ereignisse mal ausnahmsweise in ihre Richtung entwickeln. Und dass die Menschen dann ihre katastrophalen Vorhersagen vergessen.

Die Lehre hieraus: Schenken Sie Ihr Vertrauen jenen, die gemäß der Tradition der Wirtschaftstheoretiker Walter Bagehot, Hyman Minsky und Charles Kindleberger arbeiten. Das heißt, vertrauen Sie Ökonomen wie Paul Krugman, Paul Romer, Gary Gorton, Carmen Reinhart, Ken Rogoff, Raghuram Rajan, Larry Summers, Barry Eichengreen, Olivier Blanchard und ihren Kollegen. So wie diese Ökonomen in Bezug auf die jüngste Vergangenheit richtig lagen, so sind sie es auch, die die Entwicklungen der Zukunft am ehesten richtig einschätzen werden.

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