Neue Musik: Zu schräg für unser Gehirn

Der Artikel in der ZEIT ist mit einer Einleitung versehen, die auch in einer Zeitung im Boulevard stehen könnte:

Neue Musik ist anstrengend. Neuro- und Musikwissenschaftler erforschen, warum die Klänge von Schönberg, Stockhausen und Cage nur eine Minderheit begeistern.

Christoph Drössers Artikel benennt dann aber doch einige Punkte, die ich nur unterschreiben kann (wenn ich sie aus dem Zusammenhang von reichlich Unsinn herausreiße):

Die Neue Musik ist einsam alt geworden, die Zeitgenossen der »zeitgenössischen klassischen Musik« sterben langsam aus. Das spärliche Publikum, das oft nur ein Konzert besucht, weil es zum Abonnement gehört, sitzt dieser Musik häufig verständnislos gegenüber. […]

Ganz anders ergeht es dagegen der zeitgenössischen bildenden Kunst: Auch die ist oft sperrig, experimentell, absurd, bricht mit allen Konventionen – aber die Museen moderner Kunst sind regelrecht überlaufen. Warum ist das bei der zeitgenössischen klassischen Musik anders? […]

Eckart Altenmüller von der Hochschule für Musik und Theater in Hannover bezeichnet das als das Paradox der Neuen Musik: »Wir können Neue Musik besser verstehen, wenn wir sie häufiger hören – sie ist aber so komponiert, dass sie die meisten Menschen nicht dazu anreizt, sie häufiger zu hören.« […]

Fesselnde Musik zeichnet sich dadurch aus, dass sie einerseits die Erwartungen unseres Zukunftssinns erfüllt, diese dann aber immer wieder gezielt verletzt und uns so in Erregung versetzt. Völlig erwartbare Musik ist langweilig, völlig unerwartbare Töne werden gar nicht als Musik wahrgenommen, sondern nur als fremder Klang. […]

In ihrem ständigen Streben nach Innovation, nach neuen Klängen hängen die Komponisten das breite Publikum ab – eine seltsame Eigenheit der westlichen klassischen Musik. […]

Der britische Musikwissenschaftler John Sloboda sieht den Grund für die mangelnde Akzeptanz experimenteller Musik nicht nur in ihrer avantgardistischen Struktur, sondern vor allem im sozialen Umgang mit ihr.

Für diese Erkenntnisse braucht man freilich keine Neurowissenschaften, sondern ein Verständnis von Musik, das davon absieht, bestimmte Stilistiken hervorzuheben, oder gar für „überlegen“ zu halten. Davon sind mE sowohl die Avantgardisten wie auch das allgemeine Publikum gleich weit entfernt.

(In meinem Blog findet sich einiger Hintergrund zu dieser These; ein Selbstzitat: „Der Elfenbeinturm wurde nicht von den Komponisten erfunden. Er wurde in der Kunstgeschichte vom Bürgertums errichtet. Die Nazis haben dann die Tür verschlossen und den Schlüssel weggeworfen.”)