21.6.2011

Zinssatz, Wachstumsrate und Verschuldungsdynamik

Märkte sind keine Subjekte. Welches Spiel ziehen die echten Akteure ab, Politiker in den USA und der EU, Ratingagenturen, Finanzalchemiebanken wie Goldman Sachs oder Deutsche Bank? Grundkenntnisse über Zinssatz, Wachstumsrate und Verschuldungsdynamik sind unverzichtbar, daher rekapitulieren wir sie kurz.

Aufgrund der „dynamischen Budgetbeschränkung“ gilt: Liegen Kredit- und Anleihezinsen über der nominellen Wachstumsrate, so darf ein Schuldnersektor (Unternehmen, Staat) nur weniger Kredite aufnehmen, als er an Zinsen für bestehende Schulden zu zahlen hat; er muss einen Primärüberschuss erwirtschaften.

Seit Anfang der 1980er Jahre liegt das Zinsniveau in der EU mittelfristig über der Wachstumsrate (in den USA wurde dies vor 20 Jahren durch eine Niedrigzinspolitik korrigiert). Die Unternehmen drosselten daher Kreditaufnahme und Realinvestitionen zugunsten von Finanzanlagen; sie haben seit 30 Jahren Primärüberschüsse.

Die Haushalte erzielen permanent Primärüberschüsse; sie sparen mehr als ihre Zinserträge. Da die Summe aller Primärbilanzen null beträgt, kann der Staat nur dann einen Primärüberschuss erzielen, wenn der vierte Sektor, das Ausland, hohe Primärdefizite hält. Dies ist der deutschen Wirtschaft gelungen, die Leistungsbilanzüberschüsse übersteigen die Netto-Zinserträge aus dem Ausland.

Damit wird das Problem nur auf die Defizitländer verschoben. Für sie wird Konsolidierung unmöglich, es können nicht alle Sektoren Primärüberschüsse erzielen. Verstärken diese Länder dennoch ihre Sparbemühungen, ziehen sie sich tiefer in den Strudel: Die Wirtschaft schrumpft, die Zinsen steigen, die Staatsschuld auch. Gegen die Zinseszins-Mechanik hilft kein Sparen.

Der Artikel von Stephan Schulmeister (Link und Hervorhebung im Zitat oben von mir) enthält einiges Fachvokabular, das die Lektüre nicht gerade einfach macht. Trotzdem (oder gerade deshalb) lohnt es, ihn zu lesen.

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