Arnold Schönberg, 1912

Die Gurrelieder entstanden 1900/01, die Orchesterfassung wurde erst zehn Jahre später fertig (Jahre, in denen Schönberg um sein materielles Überleben kämpfte). Die Uraufführung war 1913, unter Leitung von Franz Schreker, und der einzige Erfolg Schönbergs vor einem breiten Publikum.

Karita Mattila: Tove
Neil Bredeen: Waldemar
Andrew Davis, Philharmonia Chorus, BBC Singers, Symphony Chorus & Orchestra, London Proms 1994.


Der Pierrot Lunaire – eine zunächst ungeliebte Auftragskomposition, die gleichwohl Schönbergs beste Seiten hervorbrachte – entstand 1912, und wurde noch im gleichen Jahr uraufgeführt.

Bauwien van der Meer, Sopran
Pieter van der Wulp, Ensemble 88, Alphamotions 2009


Ist das derselbe Komponist?

Hier berührt sich das Erbe der Spätromantik mit einer Radikalität der musikalischen Mitteln auf allen Ebenen – in der Größe der Besetzung, der Harmonik, dem formalen Rahmen, dem Ver- bzw. Mißtrauen in die Wirkung der menschlichen Stimme. Wo Schönberg noch, wie berauscht, Musik für ein riesengroßes Orchester arrangierte, war er gleichzeitig davon begeistert, eine Kammermusik zu schreiben, die den Sprecher dem Sänger vorzieht, und den Klang des Klaviers dem des Orchesters. Dabei ist im Pierrot der Sprechgesang kein Sprechen, sondern musikalisch „inszeniert”; auf der anderen Seite sind auch die Gurrelieder keine Oper, sondern schon zu Beginn für konzertante Aufführungen konzipiert. Beiden Werken ist gemeinsam, daß sie sich von der jeweiligen Praxis, der sie entstammen, deutlich distanzieren.

Die Frage wäre, wieweit sich hier diese Ebenen nur zufällig (vermittelt durch die Person Schönbergs) berühren; in scharfem Gegensatz zueinander stehen; oder sich dialektisch entsprechen. Falls letzteres zutrifft: auf welche Musik laufen diese Entwürfe hinaus; in welcher Musik hebt sich die Dialektik auf?