7.4.2011

Über die Konstruktion von Identität (3)

(Zettelkasten)

Ich versuche es mit einem Beispiel, mit der Vorstellung von vier Körpern.

Die erste Figur ist eine kleine (1.60m), dünne (<50kg) Frau, eine Tänzerin. Neben ihr steht ein ebenso kleiner Mann, der auch nicht viel mehr auf die Waage bringt – möglicherweise mit einem Drogenproblem, vielleicht aber auch ein Filmstar aus Hollywood.

Dann gibt es ein Mannsbild wie aus dem 19.Jh. – ein Schlachter, Hafenarbeiter, oder Bauer, knapp zwei Meter groß und mindestens drei Zentner schwer, mit unter Bergen aus Fleisch und Fett versteckten Muskeln. Seine Frau steht daneben, ebenso groß und schwer wie er, kraftvoll von der Praxis harter körperlicher Arbeit.

Diese beiden Paare trennt mehr als sie verbindet. Man könnte beim ersten Hinsehen leicht vermuten, daß man es mit Vertretern zweier verschiedener Spezies zu tun hat hat; daß es sich bei allen Vieren um Menschen handelt, ergibt sich womöglich erst nach einer umständlichen Analyse.

Dennoch scheint es selbstverständlich, daß man diese beiden Frauen, die schon auf der Ebene der Erscheinung ihrer Körper mehr trennt als verbindet, in die eine Schublade steckt, und die beiden ebenso drastisch in ihrem Äußeren unterschiedene Männer in die andere.[1] Die gesellschaftliche Funktion von Tänzerin und Schwerarbeiterin unterscheidet sich komplett voneinander, wobei beide Berufe bestimmte, wenn auch sehr verschiedene körperliche Dispositionen erfordern – hier spielt die „biologische Komponente“ also durchaus eine entscheidende Rolle. Trotzdem sind das, für den „gesunden Menschenverstand”, zuallererst Frauen, beschrieben zuallererst durch ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen. Hier kann man mit Händen fassen, wie die Zuordnung in „Frauen“ und „Männer“ komplett an der konkreten Beschreibung der Körper vorbei geht, und einem Kategoriensystem zu verdanken ist, das noch vor jeder „biologischen“ Zuschreibung zustande kommt.

Nicht nur die Grenze zwischen Gegenständen, die man als „Tische“ beschreibt und jenen, für die man andere Begriffe sucht, ist unscharf am Schwimmen. Auch vermeidlich „natürliche“ Unterschiede sind bei genauerem Hinsehen ausschließlich sprachliche Konstrukte, die keinesfalls in „Natur“ oder „Biologie“ wurzeln.

Beim Unterschied zwischen Frauen und Männern hat man es nicht mit Natur zu tun, sondern allein mit Sprache.

  1. [1] Hier müßte ein langer Exkurs über die vermeidlich biologisch bedingten Eigenschaften folgen, die Männer und Frauen angeblich unterscheiden – aggressive Jäger vs. sorgende Mütter, um dem Thema einen Titel zu geben.

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