4.1.2011

Zur Debatte um das Leistungsschutzrecht

Liebe Verleger, das tut jetzt vielleicht ein wenig weh, aber einer muss es mal deutlich sagen: Euch hat niemand gerufen! Niemand hat gesagt: “Mein Internet ist so leer, kann da nicht mal jemand Zeitungstexte oder so was reinkippen?“ Ihr seid freiwillig gekommen, und ihr habt eure Verlagstexte freiwillig ins Web gestellt. Zu Hauf. Und kostenlos. Ihr nehmt keinen Eintritt für die Besichtigung eurer Hyperlink-freien Wörterwüsten, weil ihr genau wisst, dass niemand dafür Geld ausgeben würde. Ihr habt seriöse und un- seriöse SEO-Fritzen mit Geld beworfen, damit Google eure Seiten besonders lieb hat. Ihr seid ohne Einladung auf diese Party gekommen. Das ist okay, ihr könnt gerne ein wenig mitfeiern. Prost! Aber wisst ihr, was gar nicht geht? Dass ihr jetzt von den anderen Gästen hier Geld kassieren wollt. Sogar per Gesetz. Verleger: geht’s noch?

(Mario Sixtus bei Carta)

Das ist zunächst einmal eine nette Polemik, der man nur zustimmen will – die doofen Verleger halt, die das Internet nie verstanden haben, und dies auch nach zwanzig Jahren noch immer nicht tun. Ich würde hier liebend gerne einfach bloß beistimmen. Das wäre schön bequem, würde aber ausblenden, daß solche Positionsbestimmungen im „Meinungskampf" nichts bewirken, sondern eben nur bequem sind. Insofern hat Klaus Kusanowsky einen echten Knackpunkt benannt: wenn man seine Meinung äußert, verändert man nichts, sondern klopft sich bloß selber auf die Schulter im Glauben, die „richtigen" Dinge jetzt auf den Weg gebracht zu haben oder zumindest in ihrem „gerechten" Gang zu unterstützen und zu fördern. Das ist Einfalt in Reinform, und in fast allen (deutschen) Blogs in eben dieser Reinform zu bewundern. Der Artikel von Sixtus liegt da ganz auf der gewohnten Linie.

Das – immer wieder vorgebrachte – Argument lautet: die Verleger alten Schlags sind alles Internetausdrucker, die keine Ahnung haben von den Möglichkeiten einer noch nie dagewesenen Technik. Dabei ist es doch eine einfach zu beantwortende Frage, ob all die (Computer-)Analphabeten, die komplett von ihrer WordPress-Installation abhängig sind, wenn sie auch nur einen einzigen Satz ins Internet schreiben wollen, mehr vom Netz verstehen, als die Old-School-Verleger? Technisch sicherlich nicht.

Man maßt sich hier an, die Möglichkeiten einer Technik zu verstehen, die man nicht versteht.

Der Witz an der ganzen Veranstaltung ist, daß die Debatte mit Technik nichts, mit Politik aber alles zu tun hat. Die „Technik" des Internets ist für die Debatte ungefähr so interessant, wie die technischen Details bei der Reproduktion eines Flugblatts durch die Buchpresse Gutenbergs vor fünfhundert Jahren.

Das grundlegende Problem liegt darin, daß es Arbeit gibt, deren Ergebnis nicht zur Ware taugt. Das hat die journalistische Recherche (heute, im Zeitalter von Twitter) mit der wissenschaftlichen Forschung (seit dem Buchdruck) und der Arbeit der Frauen im Haushalt (seit Beginn des Bürgertums) gemeinsam. Das wäre die zentrale Debatte, die zu führen wäre, die die gesamte Internet-Cool-Gemeinde aber mit ihrer prinzipiellen Unlust an der Beschäftigung mit Gesellschaftstheorie komplett und überaus gründlich ausblendet.

(Ich habe keine Lust, mich zu wiederholen, und verweise auf meine Reprise der Grundlage der marx'schen Ideologiekritik, und auf meine Anmerkungen über „das Wissen” im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit).

(Kommentarfunktion z.Zt. deaktiviert.)