13.11.2009

Notiz (Training; Musik als Sprache)

Als ich kürzlich einen Aufsatz von Heinz von Förster las, in dem er u.a. nicht-triviale Maschinen (NTM) erklärt, war ich intuitiv der Meinung, daß man mit diesem Konzept einige prinzipielle Fragen im Zusammenhang mit „Komplexität” klären könnte. Ich wollte den Begriff der NTM hier im Blog vorstellen, und hatte die Idee, daß ich, wenn ich schon einfach nur die Beispiele H. von Försters wiederkaue, sie zumindest in Software übersetzen sollte. Schon beim Basteln am Skript wurde mir klar, daß die Idee einer NTN längst nicht so spannend ist, wie sie mir anfangs erschien, und als ich dann beim Testen meines „Programms” kapierte, wie die Zusammenhänge aussehen, fand ich sie dann eher - nun: trivial. Man kann eine NTM vielleicht nicht ohne weiteres nachbauen. Man bekommt aber rasch einen Einblick in ihr Funktionieren, wenn man ihr mit Statistik zu Leibe rückt. Wenn es um Kryptografie geht, würde ich von ihrer Verwendung jedenfalls absehen - so kryptisch ist das Konstrukt nämlich gar nicht.

Auch das Motorrad-Beispiel haut in dieselbe Kerbe - ich will dort deutlich machen, daß es Bereiche gibt, die dem analytischen Verstand nicht ohne weiteres zugänglich sind (wenn das dort überhaupt geht), und man sich ihnen nur über aktives Handeln nähern kann. Beim Nachdenken über ein mathematisches Problem erweist es sich als hilfreich, dieses in Software zu nachzubauen, und beim Nachdenken über die Fahreigenschaften eines Motorrads setzt man sich am besten oben drauf und läßt den Motor an.

Ähnliches gilt für Musik. Es dürfte außer Frage stehen, daß man ein Instrument nur lernt, indem man übt. Ich gehe einen Schritt weiter und behaupte, daß man auch das Hören üben muß. Wie beim Erlernen eines Instruments ist es durchaus hilfreich, sich theoretisch mit Harmonielehre, Kontrapunkt, etc zu beschäftigen - mehr noch, all dies ist unerläßlich. Dennoch muß man sich mit konkret erklingender Musik auseinandersetzen, um eben Musik, und nicht bloß nachträglich von Theoretikern zusammengetragene Formalismen zu lernen.

Ich habe schon öfters darauf verwiesen (z.B. im Klang-Baukasten), daß das Ohr nicht „einfach” funktioniert - man hört mit dem Gehirn. Was die Ohren übermitteln, ist chaotischer Klang, den das Gehirn dann in strukturierte Musik übersetzen muß. Dabei verhält es sich bei der Wahrnehmung von Musik ähnlich wie mit der Dekodierung von Sprache. Eine Sprache, deren Wörter und Grammatik ich nicht erlernt habe, bleibt für mich unstrukturierter Klang. Wenn ich aber ihre Syntax und Semantik kenne, verstehe ich unmittelbar ihren Sinn. Ich könnte zwar auf Nachfrage erklären, welche Funktion bestimmte Wörter haben - ob dieses das Substantiv und ein anderes ein Pronomen ist, etwa. Normalerweise muß ich darüber aber nicht nachdenken, sondern befinde mich unmittelbar auf der Ebene des durch Sprache übermittelten „Sinns” (was auch immer das dann konkret ist).

Beim musikalischen Hören funktioniert das ähnlich. Wie Sprache muß man die musikalische Sprache erst erlernen - und das kann man nur, indem man übt, sprich: aktiv hört. Wie bei der Sprache bewegt sich ein geübter Hörer (meiner Erfahrung nach) dann auf der Ebene des „musikalischen Sinns” (was auch immer das sei). Die Frage nach den Kriterien musikalischer Qualität stellt sich hier gar nicht mehr - man kann auf Anhieb (ok - da gibt es schon Einschränkungen) erkennen, ob die Musik Sinn ergibt, oder ob da jemand vor sich hinbrabbelt, der die Sprache nicht richtig beherrscht. Tatsächlich ist es (nochmals: meiner Erfahrung nach) so, daß Hörer auf einem ähnlichen Level musikalischen Trainings zu überraschend übereinstimmenden Urteilen gelangen - wenn sie denn willens sind, negative Urteile von einem mangelnden Interesse zu trennen, eine bestimmte Musikrichtung zu erlernen. Adornos Kritik am Jazz hat nichts mit seiner intellektuellen Kompetenz, aber alles mit fehlendem Training beim Hören zu tun. Ich selber sitze komplett ratlos vor HipHop, Techno etc. (alle Stile mit einem durchlaufenden Beat vom Computer), weil ich es nicht über mich bringe, lange und konzentriert genug solcher Musik zuzuhören.

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