20.10.2009

Hiob und die Freiheit (7)

(Themenanfang)

Wenn selbst der christliche Gott letztlich keine Anleitung für den richtigen Gebrauch der Freiheit bereit stellt, stellt sich die Frage, woran Menschen ihr Handeln ausrichten sollen. Es gibt kein „Gut” oder „Richtig” in moralischen Fragen, auch wenn die Kirche in ihrer dogmatischen Auslegung der Bibel hier etwas anderes behauptet.

Auch die Philosophie Kants, die die Vernunft beschwört und in der Moderne oft herangezogen wurde, um moralische Fragen zu beantworten, gibt hier letztlich keine Antwort. Der kategorische Imperativ funktioniert nur dann, wenn man sich unter Gleichen befindet, und den Begriff der Herrschaft beiseite lassen kann. Wenn das eigene Handeln so beschaffen seien soll, daß es als Gesetz für die Allgemeinheit dienen könnte, setzt dies voraus, daß die Konsequenzen des Handelns jedes Menschen immer gleich sind. Die Entscheidungen von jemandem, der an der Spitze einer Hierarchie steht, hat jedoch völlig andere Folgen, als jene von Menschen, die allenfalls für sich selber, nicht aber für andere entscheiden.

Die moralische Richtigkeit einer Handlung kann man aber nicht an ihren Konsequenzen bemessen - entweder, sie ist richtig, oder falsch. Gleichzeitig kann man diese Konsequenzen aber nicht ohne weiteres ausblenden. Ein Firmenboß, der nur seinen Partikularinteressen nachgeht, wird mit Recht ganz anders bewertet (und verdammt) als eine Mutter, die sich egoistisch nur um sich selbst und ihr Kind kümmert (was fraglos richtig ist). Das ist ein Paradox, das sich letztlich wieder aus der Indifferenz des Begriffs der Freiheit gegen jede Moralität ergibt, wo doch Freiheit selber als moralische Kategorie erscheint.

Man kann das Problem, ethische und moralische Grenzen zu ziehen, auch ganz pragmatisch angehen und konkrete Werte darauf abklopfen, ob sie einem Anspruch auf absolute Gültigkeit standhalten. Zunächst wäre da das Gebot „Du sollst nicht töten”. Wie man leicht sehen kann, gilt es keinesfalls immer und universell. Tyrannenmord war zu allen Zeiten zulässig oder sogar eine notwendige Verpflichtung. Auch Kriege können selbst in Gesellschaften erlaubt oder sogar zwingend erforderlich sein, in denen der Stellenwert menschlichen Lebens eine sehr hohe Priorität besitzt. Der Standpunkt eines bedingungslosen Pazifismus ist spätestens dort fehl am Platz, wo fremde Besatzer ein Land unterdrücken.

Wenn man dann noch die heute so hoch gehaltenen „unveräußerlichen Menschenrechte” anschaut, kann man diesen Relativismus mit Händen greifen. Offenbar gelten sie nämlich zu 100 Prozent lediglich für die westliche Hemisphäre, und dort auch nur für die männliche Bevölkerung weißer Hautfarbe. Wenn man das konkrete Handeln gerade jener betrachtet, die von Menschenrechten am lautesten reden, muß man zum Schluß kommen, daß man es hier weitgehend mit Rhetorik zu tun hat, die auf das Handeln Anderer Einfluß nehmen will. Die Beschwörung ewiger Wahrheiten und ethisch korrekten Handelns wird hier zu einem Instrument der Legitimation von Herrschaft.

[Wird fortgesetzt.]

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