Eine kleine Typologie der Fernsehserie (2)

(Themenanfang)

In den aktuellen TV-Serien finden sich unterschiedliche Strategien, die Spannung zu halten, um die Zuschauer zu ködern.

Zunächst geht das durch die Konstruktion der Handlung, die – begünstigt durch den großen zeitlichen Rahmen über viele Folgen und womöglich Staffeln – äußerst verschlungene Pfade annehmen kann. Mein Paradebeispiel ist „Alias”: am Ende, mit der fünften Staffel, nach mehr als hundert Episoden von je ca. 45 Minuten Länge, hatte ich durchaus den Verdacht, daß die Autoren schon im Vorab ein klares Konzept für den gesamten Verlauf der Story hatten - trotz aller überraschender Wendungen und der wiederholten Auferstehung tot geglaubter Protagonisten. Andere Beispiele finden sich mit „Heroes” (dazu gibt es irgendwann noch einen eigenen Eintrag - ich bin da gerade mitten drin) oder „Damages” (wobei sich nach erst einer Staffel noch nicht sagen läßt, wie sich die Erzählung entwickelt).

Die zweite Möglichkeit, für Abwechslung zu sorgen, ist der Entwurf von zwiespältigen und entwicklungsfähigen Charakteren. Auch hier ist „Alias” kein schlechtes Beispiel, obwohl dies nur in den Nebenrollen ausgespielt wird und die Hauptfigur vergleichsweise eindimensional gezeichnet ist. Einen besonderen Trick in der Entwicklung von Charakteren gibt es in „Lost”: die bei einem Flugzeugabsturz auf einer einsamen Insel gestrandeten Figuren werden in Rückblenden im Alltag ihrer Vergangenheit vorgestellt - mit der immer wieder überraschenden Brechung von Charakteren, die man zuvor ganz gut zu durchschauen meinte.

Drittens gibt es Serien, die eine ganz eigene Welt entwerfen, die von Folge zu Folge immer mehr an Komplexität gewinnt. Mein Beispiel dafür ist „Stargate”. Hier wird in zehn Jahren und in über zweihundert Folgen eine ganze Galaxie entworfen (Korrektur: zwei Galaxien), in der zahlreiche außerirdische Rassen miteinander in Beziehung treten, die völlig unterschiedliche (und gelegentlich komplett inkompatible) Lebensweisen und Regierungssysteme vorstellen. Selbst Isaac Asimovs Foundation-Trilogie - kein Film, sondern eine aufgeschriebene Space Opera - kommt in Sachen Komplexität hier nicht mehr hinterher. - Aber auch die „Gilmore Girls” kann man hier anführen - hier sind es Mutter und Tochter, die in einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt mit durchaus komplexen sozialen Beziehungen zurecht kommen müssen.

Zuletzt gibt es noch Serien, die mit einer größeren Gruppe von Hauptfiguren operieren, wobei es keine echte Trennung zwischen Haupt- und Nebenrollen mehr gibt. In gewisser Weise trifft dies auf „Lost” zu - den (bisherigen) Höhepunkt bietet hier aber „Heroes”, wo es überhaupt keine Nebengestalten zu geben scheint, sondern alle Charaktere nahezu gleichberechtigt nebeneinander stehen und auch parallel zueinander entwickelt werden.

Daneben gibt es natürlich auch Serienkost, die sich keiner dieser Möglichkeiten bedient, sondern in der sich Woche für Woche mehr oder weniger stereotypen Charaktere mit fast identischen Geschichten beschäftigten. Dazu gehören praktisch sämtliche Krimiserien, nicht zuletzt die (m.E. sehr zu Unrecht) so gelobte Reihe der „CSI”-Serien. Aber auch die oben erwähnten Serien sind nicht davon frei, immer mal wieder eine Pause einzulegen und Folgen einzuschieben, die nichts Neues bringen, sondern lediglich der Not folgen, jede Woche eine neue Show in Szene zu setzen. „Stargate” ist auch hierfür ein gutes Beispiel - neben wirklich brillanten Folgen gibt es mehr als nur gelegentlich solche, die man möglichst überspringen sollte. Auch „Alias” beschäftigt sich letztlich nicht konsequent mit dem Ausspinnen der Story, sondern schickt die Agentin öfters zu einem Auftrag, der ohne Auswirkung für den Rest der Handlung bleibt.