12.10.2009

Eine kleine Typologie der Fernsehserie

Selbst heute noch treffe ich gelegentlich auf Leute, die mit dem Stichwort Fersehserie „Derrick“ oder „Lindenstraße“ verbinden – und ich gebe zu, daß ich bis vor ein paar Jahren selber zu dieser Spezies gehörte. Als vor über zehn Jahren die ersten Folgen „Stargate“ anliefen, habe ich mir aufgrund des dort vermutetem und vermutet vorsätzlich geplantem Unsinns noch an den Kopf gefaßt, und nicht einmal probehalber auch nur eine Folge gesehen – dabei ist die Serie um Längen besser, als der ihr zugrunde liegende Kinofilm. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch die guten alten, an Seichtigkeit kaum zu überbietenden deutschen Produktionen in der Erinnerung, und den drastischen Wandel im amerikanischen Fernsehen nicht bemerkt.

Tatsächlich haben sich mittlerweile amerikanische Fernsehserien zu einer ernstzunehmenden Kategorie in der Unterhaltungsindustrie entwickelt, und mit dem Kinofilm in vielen Bereichen gleichgezogen – ja, ihn sogar übertroffen. Das sind nicht länger möglichst billigst aus klischeehaften Versatzstücken zusammengebastelte Produkte zum Versenden zwischen den Werbeblöcken, sondern häufig überaus aufwendig hergestellte Produktionen mit einem hohen Erkennungswert. Wo die Filindustrie immer wieder mit zurückgehenden Umsätzen zu kämpfen hat und die Kinos unter fallenden Zuschauerzahlen leiden, ist der Trend zu hohen Investitionen in innovative Fersehserien ungebrochen. Man kann viele einfallslose Kinofilme finden, die auf Nummer sicher gehen und die X-te Fortsetzung selbst eines mäßig erfolgreichen Blockbusters bringen. Daneben gibt es jedoch ein überaus erstaunlich breites Spektrum von Serien, die eben keine abgekupferte Variante einer zuvor bereits erfolgreichen Form bieten, sondern echtes Neuland betreten.

Dabei bietet eine Serie, im Vergleich zum Kinofilm, eine Reihe von Vorteilen, aber auch einige Nachteile – wobei sich selbst die Nachteile gelegentlich in ihr Gegenteil verkehren.

Vorteilhaft in jeder Hinsicht ist dabei ihre Länge. Ein auf 90 Minuten oder maximal 2½ Stunden begrenzter Spielfilm hat bei weitem nicht die Möglichkeiten zur Differenzierung, die eine Serie bietet. Mehr noch: wenn man im Kino häufig mit stereotypen Handlungsverläufen und Klischee behafteten Charakteren auskommen kann (oder sogar muß), ist dies in einer Serie überhaupt nicht möglich, weil der Zuschauer auch nach der zehnten Folge noch bei der Stange bleiben soll. Eine – nach den eigenen Maßstäben des Genres: gute - Serie muß über einen langen Zeitraum spannend bleiben, und das geht nur dann, wenn sowohl die geschilderte Handlung als auch die handelnden Charaktere hinreichend komplex sind. Darüber hinaus muß sie in sich stimmig und logisch sein – nur dann kann sie Zuschauer erreichen, die sich die Handlung unter der Woche ja merken müssen und mit wenigen „Previously”-Szenen zu Beginn der Folge den Faden wieder aufnehmen sollen.

In den USA heißt eine Serie „Show“. Das dürfte auf die Gattung der – live und vor Publikum dargebrachten – Stand-Up-Comedy zurück verweisen, die dort immer noch eine wichtige Rolle in der regelmäßig ausgestrahlten TV-Unterhaltung einnimmt. Dabei führt der Begriff in die Irre und trifft gleichzeitig den Nagel auf den Kopf. Eine typische Serie wird unter großem Zeitdruck nahezu spontan improvisiert. Trotzdem ist das keine Show, in die der Zuschauer problemlos in der Mitte einsteigen kann – dort entwickelt sich oft ein eigenes Universum, das man nur dann noch versteht, wenn man kontinuierlich Woche für Woche den Fernseher einschaltet.

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