6.10.2009

Hiob und die Freiheit (6)

(Themenanfang)

Ich hatte bereits ausgeführt, daß Freiheit immer die Option beinhaltet, das Falsche zu tun bzw. sich für das Böse zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund kann man die Geschichte Hiobs gewissermaßen als Innenseite des Freiheitsbegriffs deuten. Wenn Gott das Böse zuläßt (zulassen muß!), um Freiheit zu ermöglichen, darf es auch gar nicht sein, daß die Konsequenzen bekannt sind, die sich aus dem Gebrauch der Freiheit ergeben. Wenn man bei einer Entscheidung gleichzeitig wissen würde, welche Folgen sich aus ihr ergeben, wäre es zwar leicht, die richtige Wahl zu treffen. Damit wäre aber Freiheit selbst kompromittiert. Zumindest ein kluger Mensch, der überblicken kann, was seine Wahl bewirkt, wäre gar nicht frei, sondern darauf festgelegt, das „Richtige” (was auch immer das sei) zu tun.

Mit anderen Worten: Freiheit gibt es nur in einer Welt, die emergent ist. Die Folgen einer Entscheidung - von wem und für was auch immer - sind dann niemals deterministisch festgelegt. Das gilt auch und gerade für die Entscheidung für oder gegen Gott. Jemand, der an Gott glaubt, kann genauso ins Unglück geraten wie jemand, der dies nicht tut. Genau dies ist in meinen Augen die Kernaussage des Buch Hiob - Gott höchst persönlich führt hier vor, daß selbst ein unbedingtes Festhalten am Glauben keinerlei vorhersehbare Auswirkungen hat. Man redet sich die Sache bloß schön, wenn man darauf verweist, daß Hiob am Ende ja für seine Treue belohnt wird. Die Entschädigung fällt vergleichsweise dünn aus, und läßt sich nur dann als Wiedergutmachung für die erlittene Pein deuten, wenn man unbeirrt und um jeden Preis am Prinzip von Ursache und Wirkung festhalten will. Man kann sich aber ebenso fragen, was geschehen wäre, wenn Hiob dem Drängen seiner Frau nachgegeben und Gott abgeschworen hätte - eine noch härtere Strafe als die, die er ohnehin zu erleiden hat, wäre ja kaum noch denkbar.

Damit gewinnt der Begriff der Freiheit eine neue Dimension: die Menschen sind zur Freiheit verdammt. Sie stehen der Zukunft blind gegenüber und müssen Entscheidungen treffen, die sich erst im Rückblick als richtig oder falsch erweisen.

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