22.9.2009

Netzwerkprodukte - Userinterfaces (5)

(Themenanfang)

Wenn man vom grafischen Userinterface oder dem GUI-„Design” spricht, läuft man in Gefahr, das Userinterface mit dessen grafischer Gestaltung zu verwechseln. Ein GUI besteht zwar aus grafischen Objekten, die z.B. eine bestimmte Farbe haben und über ein mehr oder weniger gelungenes optisches Design verfügen - ein GUI ist dies aber noch lange nicht, auch wenn einem dies das Marketing in den Software-Companies gelegentlich einreden möchte. Es spielt zwar schon eine Rolle für den Anwender, ob er vor einer Applikation sitzt, deren Optik ihn anspricht, oder nicht. In manchen Fällen gibt es sogar funktionelle Auswirkungen der Gestaltung der Grafik, etwa wenn man in einem abgedunkelten Tonstudio vor einer grell leuchtenden Musiksoftware sitzt, oder womöglich grünen Text auf rotem Grund präsentiert bekommt. GUI-Design meint aber letztlich etwas anderes, nämlich die Gestaltung der Funktionalität durch aufeinander abgestimmte grafische Elemente. Dabei spielt ihre Optik eine eher untergeordnete Rolle.

Trotzdem finden sich im GUI-Design - selbst wenn man es rein funktionell betrachtet - Moden. Dabei bestehen all jene Debatten, die sich um den vermeintlich „besten Computer” drehen, letztlich aus Statements über die modischen Qualitäten des GUI im betreffenden Betriebssystem. Gleiches gilt für den Streit um das beste Programm zur Bearbeitung von Text, Grafik, oder Musik, oder um den besten Internet-Browser.

Bevor ich diese - zugegeben stark zugespitzte - These näher begründe, muß ich einschieben, daß es natürlich durchaus auch rationale Gründe gibt, sich für oder gegen ein bestimmtes Betriebssystem oder eine Applikation zu entscheiden. Ich behaupte aber, daß diese Gründe deutlich in der Unterzahl sind - wenn das anders wäre, würde man die Debatten erheblich sachlicher führen, ohne sie regelmäßig in emotional aufgeheizte Flame-Wars zu eskalieren. Es geht in erster Linie um subjektive Vorlieben, und zwar auch und gerade dann, wenn man nur über die funktionale Seite von Userinterfaces streitet.

Zunächst läßt sich leicht belegen, daß bestimmte Moden im GUI kommen und gehen. Ich erinnere mich z.B. noch ganz gut an meinen Versuch, auf dem Atari ST sog. „Floating Windows” zu implementieren, Fenster also, die über den „Hauptfenstern” der Applikation schweben, und in denen man beispielsweise verschiedene Modi für Operationen mit der Maus - Tools - auswählen kann. Das war auf dem Macintosh selbstverständlich, ließ sich aber auf dem Atari nur unter hohem Aufwand implementieren[1] - der Coolness-Faktor war entsprechend hoch, und sämtliche Applikationen auf dem Mac haben dieses Konzept u.a deshalb realisiert, weil es anderswo nicht zu haben war.

Irgendwann kam Microsoft mit einem anderen Modell, bei dem sämtliche Fenster nebeneinander untergebracht werden, um Überlappungen komplett zu vermeiden. Die Tools liegen stets neben den Hauptfenstern, und verdecken nicht länger Teile der zu bearbeitenden Daten (Text, Grafik, Noten, etc.). Plötzlich empfand man die Floating Windows generell als lästig, weil man der Meinung war, daß man nur noch damit beschäftigt ist, sie hin- und her zu schieben, um den Überblick über die - eigentlich im Fokus stehenden - Daten nicht zu verlieren (das Konzept der „Dockable Windows” hat definitiv seine Meriten).

Mittlerweile schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung. In Cubase kann man eine Reihe von Fenster optional „always on top” setzen, ihnen also den Charakter von Floating Windows geben. Dabei läßt sich diese Option in den Präferenzen voreinstellen, und ist seit kurzem per Default aktiviert. Das hat durchaus Gründe - man muß keine weiten Wege mit der Maus machen, um zwischen den editierten Daten in der Mitte des Bildschirms und den Tools an dessen Rand zu wechseln.

  1. [1] Ich habe es damals nicht geschafft, das fehlerfrei und Release-fähig hinzubekommen.

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