16.9.2009

Netzwerkprodukte (27) - Userinterfaces

(Themenanfang) [1]

Am Anfang war die Lochkarte. Für jede Berechnung, die man auf einem jener Zimmerfüllenden Mainframes noch Anfang der 80er Jahre durchführen wollte, mußte man ein eigenes Programm schreiben, und zwar in binärem Code. Damit konnte man natürlich keiner Sekretärin kommen, und die Idee eines echten PC - eines Einzelplatz-Rechners für die alltägliche Arbeit oder gar das heimische Wohnzimmer - war aus dieser Perspektive völlig absurd.

Daran änderte auch die erste echte Schnittstelle zum Benutzer wenig, die Kommandozeile. Mit ihr kann man immerhin textbasiert arbeiten, und man bedient sich komplexer Befehle, die im Betriebssystem integriert und durchaus mächtig sind - auch heute noch lassen sich diverse Arbeiten mittels Kommandozeile und dem damit verbundenen Skripting besser erledigen als mit Maus und Menu. Auch dies ist aber letztlich eine Umgebung nur für Spezialisten, die ein grundlegendes technisches Verständnis vom Computer haben.

Der echte Durchbruch, der aus dem Computer ein Werkzeug für den massenhaften Gebrauch machte, brachte erst die Erfindung des grafischen Userinterface (GUI) - wobei man es hier nicht mit nur einer einzigen Neuerung zu tun hat, sondern einem ganzen Set von neuen Konzepten und Werkzeugen.

MacOS

An zentraler Stelle steht das virtuelle Desktop. Der Computerbildschirm ist hier eine Metapher für einen Schreibtisch, auf dem unterschiedlichste Dokumente liegen - Texte, Grafiken, Tabellen, usf.. Dieser Wust aus virtuellen „Papieren” wird abgebildet und lebt in „Fenstern”, die sich überlappen können, die man in ihrer Größe verändern und gegeneinander verschieben kann. Andere, ergänzende Konzepte sind Menus, die bei Bedarf aufklappen und in deren Textlisten sich die Kommandos finden, die im jeweiligen Kontext zur Verfügung stehen, und - ganz prominent - die Einführung eines neuen Eingabegeräts neben der Tastatur, der Maus, mit der sich Fenster und Menus „anfassen” und „anklicken” lassen.

Man ist an diese Features heutzutage derart gewöhnt, daß man sie für völlig selbstverständlich hält. Als sie Ende der 70er von Rank Xerox erfunden und wenige Jahre später zum ersten Mal in den Computern von Apple für einen breiteren Markt praktisch zur Verfügung standen, wirkten sie allerdings sensationell - erstmals konnten Menschen Computer bedienen, die von der dahinter liegenden Technik wenig oder gar nichts wußten, und lediglich auf ihre Alltagserfahrungen zurückgreifen mußten, um das Bedienungskonzept zu verstehen.

Dabei hat dieses intuitive Verständnis für die Bedienung von Computerprogrammen durchaus Seiteneffekte, die auf der Seite der User gelegentlich Stirnrunzeln und Unverständnis hervorrufen, auf der Seite des Marketings von Softwarefirmen dafür verantwortlich sind, wenn die Manager angesichts wiederholt verschobener Releasetermine und davonlaufender Kosten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, und auf der Seite der Entwickler für rauchende Köpfe und verzweifelte Blicke sorgen. Ein gutes GUI, das in sich konsistent und intuitiv bedienbar ist, testet regelmäßig die Grenzen des technisch Machbaren und fordert die kompletten intellektuellen Ressourcen selbst von überdurchschnittlich begabten Designern und Entwicklern.

Anders formuliert: verschachteltes Skripting für Unix kann jeder, sofern er sich genug bemüht. Das Design eines in sich schlüssigen GUI für eine halbwegs komplexe Anwendung, das auch noch technisch umsetzbar ist, ist eine Kunst, in der es zwar eine Reihe begabter Handwerker, aber nur wenige Genies gibt.

  1. [1] Der gestrige Eintrag setzt irgendwo in der Mitte ein, und ist ohne Kenntnis der Zusammenhänge nur schwer oder überhaupt nicht verständlich. Ich hole mal kurz Luft, und versuche einen grundlegenden Einstieg in das Thema.
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