21.7.2009

Most 2009 (2 - Der Unfall)

(Kompletter Text)

Objektive Tatsache ist, daß ich ein vor mir fahrendes Motorrad abgeschossen habe. Ich bin ihm heftig in den Hinterreifen gefahren, so daß es mit einem Lowsider zu Boden ging, und bin selber im Kiesbett gelandet, mit den schon geschilderten Folgen[1]. Im Straßenverkehr wäre die Sache sonnenklar: wer auffährt, hat entweder zu wenig Sicherheitsabstand gehalten, oder hat z.B. unter Alkoholeinfluß nicht rechtzeitig reagiert[2] - in jedem Fall trägt er aber die Schuld an dem Schlamassel.

Für mich stellt sich dies hier etwas anders dar, und ich muß kurz ausholen, um meine Sicht der Dinge zu schildern.

Ich bin auf P. in der 180-Grad-Kurve vor Start&Ziel aufgelaufen, und hatte versucht, ihn schon auf der langen Geraden hinter mir zu lassen. Da sein Motorrad über deutlich höhere Leistung verfügt als meine ZX6, war das vergebliches Bemühen, und da er auch in der Folge konsequent am Gas und an der Bremse zog, solange es geradeaus ging, hätte ich seine wenig optimale Linienführung ausnutzen müssen. Das war leichter gesagt als getan, weil er einen reichlich unberechenbaren Schlingerkurs hinlegte. Die Rechtskurve in die Schikane hinein hat er z.B. stumpft genommen, mit der Folge, daß er die folgende Links äußerst eng und in so geringer Geschwindigkeit nehmen mußte, daß meine ZX6 im zweiten Gang verhungert ist, und an ein Durchstechen nicht zu denken war. So ging das dann immer weiter, und da ich nichts riskieren wollte, bin ich hinterher gerollert, und habe mir das erstmal nur angesehen.

Most - Crash-Kurve

Im Google-Earth-Bild[3] sieht man die Rechts, in der wir aneinander geraten sind (oben die helle Fläche ist das Kiesbett). Davor liegt ein Streckenstück, auf dem man bis in den vierten Gang beschleunigt; die Kurve selbst kann man im dritten Gang fahren; es folgt eine Linkskurve. Auf der Satellitenaufnahme kann man eine dunkle Spur erkennen, die die Linie zeigt, auf der wohl sonst die Autos unterwegs sind. Fürs Motorrad funktioniert es wesentlich besser, wenn man noch ein gutes Stück länger im Kurvenäußeren bleibt, und erst etwa auf der Höhe des Anfangs des Kiesbetts ablöst.

Ich hatte vor, einen Überholversuch Außen zu probieren. Wir sind beide äußerst links auf die Kurve zu, hatten angebremst und waren am Rollen, und zwar in einer Geschwindigkeit, von der ich der Meinung war, daß auch P. es schaffen müßte, um die Kurve zu kommen. Ich habe jeden Moment erwartet, daß P. nach rechts abklappt, und wollte aus seinem Windschatten kräftig ans Gas, um an ihm auf der linken Seite mit größerer Kurvenspeed vorbeizukommen.

Ungefähr an „meinem” Ablösepunkt steht P. dann plötzlich in der Bremse - nicht etwa, um vorsichtig ein wenig Geschwindigkeitsüberschuß aus der Fuhre zu nehmen, sondern mit voller Konsequenz, eine Vollbremsung wie beim Abbremsen aus Start&Ziel vor der Schikane. An dieser Stelle war ich vielleicht noch eine Motorradlänge von ihm entfernt und am Beschleunigen - trotz versuchter Notbremsung war da nichts mehr zu machen[4].

Ich habe P., kurz bevor ich dann endgültig zusammengerutscht bin und ins Krankenhaus gebracht wurde, noch kurz sprechen können, und ihn gefragt, warum er denn an der Stelle so heftig gebremst hätte. Seine Antwort lautete sinngemäß, daß man sich ja gern das Data-Recording[5] anschauen könne - er sei aber bestimmt nicht stärker in die Bremse gestiegen als sonst auch. Mit anderen Worten: er hat seine Bremserei keineswegs abgestritten - sie war Teil seiner Linie.

[Zu einer Bewertung komme ich noch - ich muß aber wohl doch schon jetzt betonen, daß ich mich keineswegs als unschuldiges Opfer sehe, das alles richtig gemacht hätte. Ganz im Gegenteil, und ganz schön schwierig.]

  1. [1] P. ist vergleichsweise wenig passiert: er war kurze Zeit später wieder voll einsatzfähig, und so weit ich es weiß, hat er lediglich eine ziemlich scheußlich aussehende Abschürfung am rechten Oberarm davongetragen (die er durch das Tragen von langer Unterwäsche unter der Kombi hätte vermeiden können).
    Seine Maschine - eine extrem teuer unter Durbahns Aufsicht getunte 600ter Honda (140PS bei knapp 140kg Leergewicht) - war ebenfalls vergleichsweise glimpflich davongekommen, wobei aber wohl Teile draufgegangen sind, die den Wert meiner kompletten ZX6 mehrfach überschreiten.
  2. [2] Tatsächlich wurde der Verdacht laut, ich sei mit Restalkohol vom Vorabend auf der Strecke unterwegs gewesen. Der Bitte, einen Bluttest machen zu lassen, hatte ich zugestimmt - er kam aber, aus organisatorischen Gründen, nicht zustande.
  3. [3] Google-Maps-Link für die Rennstrecke Most.
  4. [4] Ich habe immerhin noch versucht, mich in Richtung Kurvenäußeres zu orientieren und den Ausweg ins Kiesbett zu suchen. Hätte ich statt dessen versucht, mich noch rechts vorbeizumogeln (was ebenfalls schief gegangen wäre), hätten sich die beiden Motorräder ineinander verkeilt, mit unabsehbaren Folgen für beide Fahrer.
  5. [5] Siehe Anmerkug 1: Durbahn-modifizierte Mopeds haben alles an Bord, was technisch nur machbar ist, und da gehört ein System zum detaillierten Data-Recording natürlich auch dazu.
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