11.6.2009

Kommunikation & Herrschaft (3)

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Ich hatte schon angedeutet, daß mich an der von Niklas Luhmann vorgeschlagenen Terminologie besonders das Fehlen jegliches Begriffs von Herrschaft stört. Sein Modell von Kommunikation beruht zwar nicht auf „Konsens”, d.h., es geht im sozialen System nicht darum, daß man sich auf ein gemeinsames Handeln unter Gleichgesinnten und -berechtigten einigt. Im Gegenteil: Kommunikation basiert hier auf der Differenz zwischen Information und Mitteilung, die der Empfänger einer Mitteilung auflösen muß. Daß diese Interpretation, aus unterschiedlichen Gründen, regelmäßig fehlerbehaft ist, sorgt dann überhaupt erst dafür, daß Kommunikation Anschluß findet und rekursiv fortgeführt wird. Auch den Begriff des „kommunikativen Handelns” lehnt Luhmann ab - nicht, weil er ihn für prinzipiell falsch hält, sondern weil er seiner Auffassung nach nichts für den theoretischen Aufbau leistet.

Soziale Systeme bewahren eine (relativ) stabile Ordnung. Mit dem Begriff der „doppelten Kontingenz” hält Luhmann fest, daß die Teilnehmer an einer Kommunikation gewisse Unsicherheiten über die Vorstellungen des jeweils anderen haben, und sich erst im Prozeß der Kommunikation ein Bild davon machen können, ob und in welchem Maß die eigenen Vorstellungen vom Gegenüber geteilt werden. Durch Kommunikation stellt sich letztlich ein Ausgleich der Interessen her.

Man kann das jedoch auch umdrehen und die These ausprobieren, ob es nicht vielmehr darum geht, die eigenen Interessen gegen den anderen durchzusetzen. Luhmann würde vielleicht zustimmen, aber wohl einwenden, daß dies für die Autopoiesis keine Rolle spiele - diese sei lediglich im Operieren des Systems zu finden, und die Funktion des Operierens liege nun einmal in der Kommunikation, und nicht in den Interessen und Bedürfnissen der psychischen Systeme. Tatsächlich treibt er ja die Idee auf die Spitze, daß soziale Systeme ihren Zusammenhalt nicht den individuellen Menschen, sondern ihrem Operieren als System verdanken. Zu fragen wäre dann aber, warum er letztlich doch wieder auf das Konzept der doppelten Kontingenz zurückgreifen muß, um zu begründen, wie denn der „soziale Kit”, den Kommunikation darstellt, eigentlich „klebt”. Er geht dabei zurück auf den Prozeß der Evolution, und betont, daß Menschen auf die Zusammenarbeit mit anderen angewiesen seien, und somit evolutionäre Vorteile haben, wenn sie über funktionierende Sozialsysteme verfügen.

Wenn man sich den evolutionären Prozeß aber ansieht, kommt man m.E. nicht darum herum, das permanente Entstehen von hierarchischen Strukturen zu beobachten und an zentrale Stelle zu setzen. Gesellschaftliche Entwicklung hat immer in Strukturen statt gefunden, die sich bei näherem Hinsehen als Herrschaftsstrukturen herausstellen. Eine Theorie, die dies letztlich in den Hintergrund schiebt, steht damit im Verdacht, an einer entscheidenden Stelle einen blinden Fleck zu haben. Dabei ist es übrigens eine Sache, diesen blinden Fleck einfach nur zu konstatieren, eine andere, zu erklären, warum er sich eingeschlichen hat.

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