10.4.2009

Håkan Nesser - Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Im Schweden des Jahres 1962 verbringt der 14jährige Erik die Sommerferien in einem kleinen Häuschen am See. Zusammen mit einem gleichaltrigen Freund erkundet er die Umgebung, versucht, die Aufmerksamkeit der Tochter des ortsansässigen Krämers auf sich zu ziehen, und läßt sich von der Atmosphäre der endlosen Tage des schwedischen Sommers hinwegtragen. Der einzige Erwachsene, der sie kontrollieren könnte, ist sein acht Jahre älterer Bruder, der freilich völlig davon absorbiert ist, ein Buch zu schreiben und sich wenig um die Heranwachsenden kümmert.

Irgendwann staunen Erik und sein Freund nicht schlecht, als Ewa erscheint, ihre Lehrerin, die erst vor kurzer Zeit an ihrer Schule begonnen hatte und allein durch ihre außerordentliche Schönheit die Jungs der Klasse dazu bewegen konnte, sich kopfüber in die Arbeit zu stürzen. Jetzt scheint es, als ob der Bruder und Ewa eine Affäre miteinander haben - dabei ist die doch die Verlobte eines allgemein anerkannten und bewunderten Ex-Sportlers.

Während die Jungs noch versuchen, sich einen Reim auf die Sache zu machen, spitzen sich die Ereignisse allmählich immer mehr zu, als sich herausstellt, daß der Sportler keineswegs der nette und verbindliche Kerl ist, für den ihn alle halten.

Håkan Nesser ist ein schwedischer Bestseller-Autor, der neben zahlreichen Krimis auch eine Reihe von Psychothriller geschrieben hat. „Kim Novack...” ist das erste Buch, das ich von ihm gelesen habe, und gehört in die zweite Kategorie - wobei auch das keine wirklich zutreffende Zuordnung wäre. Es gibt zwar einen Kriminalfall, und die Auflösung dieses Falls bildet das Grundgerüst, das auch den Spannungsbogen vorgibt. An diesem Gerüst sind dann aber eine Reihe ganz anderer Dinge festgemacht, um die es sich letztlich dreht.

Zentral ist die Beschreibung der Personen, allen voran die der pubertierenden Hauptgestalt. Diese ist derart glaubhaft geschildert, daß ich mehr als nur ein paar Züge gefunden habe, die sie mit mir gemeinsam hat, als ich ebenso alt war. Man darf sich keinen 14jährigen der Gegenwart vorstellen - wir waren noch in den 70ern weit naiver und kindlicher als heutige 12-, vielleicht sogar 10jährige, und das gilt für jene sicherlich verstärkt, die nochmals zehn Jahre vorher in diesem Alter waren. Im Wechselspiel mit den übrigen, durchweg in vielen Details plastisch gezeichneten Protagonisten gibt das ein ebenso glaubwürdiges wie wehmütiges Bild auf eine Jugend aus einer vergangenen Zeit.

Håkan Nesser ist ein Erzähler, dem ich wahrscheinlich selbst dann gebannt folgen würde, wenn er den Inhalt einer Mülltonne schildert. Der Roman hat einen wunderbaren, an keiner Stelle unterbrochenen Fluß, der mich über einen langen Frühjahrsnachmittag getragen hat, ohne das ich gemerkt hätte, wie die Zeit verfliegt.

Jedenfalls weiß ich jetzt, wie ich die Schmökerlust der kommenden Wochen in den Griff bekomme.

(Kommentarfunktion z.Zt. deaktiviert.)