2.4.2009

Improvisation in der Musik (8)

(Themenanfang)

Das Material für virtuosere Läufe und Figuren besteht aus Skalen und Akkorden, wobei ich das Hoch- und Runtergespiele von Tonleitern für denkbar uninspiriert und langweilig halte - das praktizieren auch nur Musikschüler und Brian May.

Chromatische Durchgänge (C-Dur)

Chromatische Erweiterungen (C-Dur)

Auch bei Akkordbrechungen schadet es nicht, die Töne nicht nur hoch- und runter zu marschieren, sondern sie mit Durchgangstönen zu versehen (1. Beispiel) bzw. chromatisch zu umspielen. Dabei kann man jede Note von oben, von unten oder sowohl von oben wie unten (2. Beispiel) mit einem Halbton ansteuern, ohne sich um die Skala kümmern zu müssen.

C-Dur Pentatonik

Eine dritte Alternative (zu Skalen und Akkorden) findet sich in Pentatoniken (penta = fünf), die, wenn man sie ein wenig naiv spielt, an chinesische Musik erinnern (welche tatsächlich auf ihnen basiert). M.E. sind sie Skalen überlegen, weil sie mit ihren beiden Terzsprüngen schon fast wie eine kleine Melodie klingen und von Haus aus eine gewisse Lebendigkeit in sich tragen. Man kann sehen, daß eine Reihe von wichtigen Tönen aus dem zugrunde liegenden Akkord auftauchen - Grundton, Terz und Quinte - auch die restlichen Töne „passen” zum Akkord, ohne übermäßig spannungsvoll oder „falsch” zu sein. Man hat es mit einer Art Zwitter zu tun - etwas wie einer „melodischen Akkordbrechung”.

Im Jazz sind es jedoch Terz und Septe, die den Charakter eines Akkordes ausmachen und in den Sololinien wichtig sind. Ein Saxophon wird kaum je den Grundton spielen und damit den Baßton verdoppeln; ebenso spannungslos ist die Quinte. Noch interessanter sind sogar die höher liegenden Tensions, weil hier die meiste Spannung zu holen ist, ohne sich völlig aus dem tonalen Rahmen zu begeben.

C-Dur Pentatonik / Mapping auf Akkorde

Wie man in den nebenstehenden Noten sehen kann, bietet es sich an, die C-Dur-Pentatonik nicht über C-Dur, sondern über ganz andere Akkorde zu spielen (Terz und Septe sind jeweils rot markiert). F-Dur ist die naheliegenste Lösung; Bb-Dur geht nur dann, wenn es als Subdominante auftaucht (wegen der „lydischen” #11); D-Moll ist eher schwach, und F#7 nichts für schwache Nerven, ist dort doch jede denkbare Alterierung ausgeschöpft.

Chromatische Erweiterungen (Pentatonik)

Bei Pentatoniken kann man dasselbe Spiel betreiben wie mit Akkorden, und sie mit chromatischen Durchgangs- oder Vorhaltsnoten anreichern. Das klingt zunächst durchaus gewöhnungsbedürftig, weil man sich quer durch die unterschiedlichen Spannungsebenen bewegt, und sie nicht schön brav in einer Richtung durchwandert. Der Effekt ist aber in sich logisch und klingt sehr farbig (ich bin der Meinung, daß eine ganze Reihe von Musikern aus dem ECM-Umfeld - namentlich Pat Metheney - mit solchen Konzepten arbeiten).

C-Pentatonik mit tiefalteriertes Terz

b3 Pentatonik / Mapping auf Akkorde

Problematisch ist hier allenfalls, daß man keine Möglichkeit hat, über Dominant-Sept-Akkorde zu spielen (von der wenig befriedigenden Lösung in Zeile 4 - F#7 -abgesehen). Ich habe in einem Buch von Adelhard Roidinger den Vorschlag gefunden, Pentatoniken zu alterieren (ich weiß nicht, ob die Idee von Roidinger ist, oder ob auch er das Konzept eines anderen vorträgt). Nebenstehend findet sich eine von mehreren Varianten. Diese Pentatoniken klingen schon in sich sehr ungewöhnlich und haben einen ganz eigenen Sound. Hinzu kommt, daß sie eine Reihe sehr interessanter Möglichkeiten bieten, über Dominanten zu improvisieren.

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