3.3.2009

Eine Generation tritt ab - Ernst Benda ist tot

Ernst Benda 1973

Gestern ist Ernst Benda, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichts, im Alter von 84 Jahren gestorben (Nachrufe u.a. in der SZ und der ZEIT).

Das ist für mich insofern eine bemerkenswerte Nachricht, als das Volkszählungs-Urteil[1] 1983 in eine Phase meiner intellektuellen Entwicklung fällt, in der ich als Soziologie-Student dabei war, sehr weit ins linke Lager abzudriften. Diese vom Bundesverfassungsgericht erzwungene Rücknahme eines Gesetzes - wo wir doch damals alle überzeugt waren, daß man es nur noch durch radikale Verweigerung von Unten unterminieren kann - hat mich reichlich nachdenklich hinterlassen, und mich letztlich davon überzeugt, daß man jeder Form von Dogmatik mit großer Skepsis begegnen muß.

Dabei ist das nicht einmal Bendas wichtigste Leistung: ihm ist es zu verdanken, daß die Verjährung der NS-Morde verhindert wurde. Andererseits war er als Innenminister der Großen Koalition 1966-69 maßgeblich am Zustandekommen der Notstandsgesetze beteiligt, und hat die Fristenlösung bei der Abtreibung 1973 am Verfassungsgericht verhindert. Man wird letztlich zu keiner eindeutigen Bewertung dieser die Bonner Republik maßgeblich prägenden Persönlichkeit kommen können - höchstens zu der, daß man es ganz unzweifelhaft eben mit einer Persönlichkeit zu tun hatte. Die Generation von meinungsstarken und trotz aller Parteizugehörigkeit letztlich unabhängigen Vertretern von Justiz und Politik stirbt langsam aus. Das ist, wenn man es mit all jenen das heutige öffentliche Leben prägenden stromlinienförmigen Charaktermasken vergleicht, nur schwer zu verschmerzen.

  1. [1] Ernst Benda wird in fast jedem Nachruf mit den Worten zitiert, die Nutzung von Daten durch Unternehmen sei „bedrohlicher als alles, was vom Staat ausgeht”. Damit hat er, in meinen Augen, bereits vor mehr als 25 Jahren einen Zusammenhang begriffen, den die ganze Debatte über „Stasi 2.0” gern übersieht: den Staat kontrolliert das Volk, ein Unternehmen der (vom Unternehmen bezahlte) Aufsichtsrat. Dabei hat er übrigens nicht gesagt, daß die staatliche Sammelwut keine Bedrohung darstellt - im Gegenteil, wie das Volkszählungs-Urteil beweist.

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