Notiz - Neoliberale Piraten / »Pirate Bay«

Die »Süddeutsche Zeitung« von heute meldet auf Seite 3 (leider nicht online) unter der Überschrift „Neoliberale Piraten” zum aktuellen Gerichtsverfahren gegen die Betreiber von »Pirate Bay« u.a.[1] folgendes:

Diese Piratenmentalität verzerrt die Debatte um die Veränderung der Kulturlandschaft durch die neuen Medien schon seit Jahren zu Gunsten eines neoliberalen Arguments, das Besitz auf das Gegenständliche reduzieren will. Ideen und kulturelle Schöpfungen wie Filme, Bilder, Musik oder Texte sind in diesem reduzierten Denken in ihrer digitalen Form nicht greifbar, also auch nicht mit einem Wert zu beziffern. Wahre Werte sind diesem Denken Computer, Handys, Datenleitungen, weil es sich da eben um ganz handfeste Gegenstände und somit um Sachwerte handelt.

Diese Argumentation ist ein mustergültiges Beispiel, wie Ideologie funktioniert: im Glauben, die Sphäre des Geistes zu verteidigen, übernimmt man die Annahme unhinterfragt, daß letztlich alles - auch Wissen oder Kunst - zur Ware werden muß, weil man es sonst in seinem Wert nicht messen kann. Auf die Idee, daß die abstrakte Warenform schon für Güter des materiellen Bereichs höchst fragwürdig ist, und im Bereich des Geistes eine völlig absurde Ausprägung annimmt, kommt man überhaupt nicht mehr - man kann auf sie gar nicht mehr kommen, weil der Begriff des Werts so fest dem Kopf eingeprägt ist, daß er von innen auf den Sehnerv drückt.

Ich habe meinen Standpunkt zu dem Thema bereits anderswo formuliert.

In dem sehr sehenswerten Video[2][3] (das nicht nur lehrreich[4], sondern überaus unterhaltsam ist) stellt Lawrence Lessig seine Sicht zum Thema vor - und Lessing ist definitiv kein „Pirat”, sondern gelernter Jurist, Verfechter des Copyright und Gründer der Creative-Common-Initative .

  1. [1] Im ersten Absatz heißt es: „Grob vereinfacht hilft diese Webseite Raubkopierern dabei, Filme, Musik und Software im Netz aufzuspüren und diese dann mit Hilfe des Programms „Bittorrent” gratis herunterzuladen”. - Wie kommentiert man solch einen Nonsens - und wir reden hier von einem Kommentar auf der Meinungsseite einer der wenigen verbleibenden überregionalen Zeitungen Deutschlands -, wenn man ein gewisses Niveau halten will?
  2. [2] Der Vortrag Lessigs beginnt ca. bei 5:00, und dauert ~50min - der Rest ist ein - allerdings ebenfalls interessantes - Interview.
  3. [3] Gefunden in einem Kommentar bei Heise.
  4. [4] Eine These Lessigs - die mE zentral ist - besagt, daß Copyright ursprünglich das Verbreiten einer Kopie einschränken sollte, während das digitale Zeitalter des 21.Jh versucht, jede Benutzung eines seiner Medien dem Copyright zu unterwerfen.

Nachtrag: Mittlerweile ist der Artikle auch online verfügbar.