14.12.2008

Musikproduktion am Computer (Synthesizer)

(Themenanfang)

Synthesizer sind keine Sampler - auch wenn selbst die Hersteller von Musik-Equipment das fast schon vergessen haben. Mit dem puren Abfeuern von Sounds hat man die Möglichkeiten nicht einmal angekratzt, die elektronische Musikinstrumente bieten.

Ein Synthesizer ist, wie es schon der Name nahelegt, ein Gerät, mit dem man sich eigene Klänge zusammenbauen kann. Dabei hat man es zunächst mit rein analogen Klangerzeugern (den VCO's) zu tun, die auf elektronischem Weg Schwingungen produzieren. Man kann unterschiedliche Wellenformen wählen, die sehr unterschiedlich klingen: Sinus-, Rechteck- oder Sägezahnwelle sind wohl die bekanntesten Beispiele, die sich schon auf den ersten Moog-Synthis finden. Diese Klänge kann man in ihrer Tonhöhe verändern, und zwar nicht nur durch die Oktaven und Halbtöne ("pitchen"), sondern auch in ganz leichten Nuancen ("tunen"). Indem man mehrere solcher Tonerzeuger parallel fährt, lassen sich bereits recht komplexe Klänge "mischen" ("additive Synthese").

Zu einem echten Synthi - bisher haben wir erst eine elektronische Orgel - wird das Ganze erst, wenn Module hinzukommen, die nicht Klang, sondern Kontrollinformationen generieren - Oszilatoren etwa, die auf Lautstärke, Tonhöhe oder Frequenzverlauf wirken. Das wichtigste dieser Module [1], der Hüllkurvengenerator oder ADSR, bestimmt den Lautstärkenverlauf eines Tons (Diagramm - Quelle: Wikipedia); in der Attack-Phase etwa wird darüber entschieden, ob man es bspw. mit einem hart einsetzendem ("Piano") oder einem weich einschwingenden Klang ("Streichorchester") zu tun hat. - Dabei lassen sich diese Module miteinander elektrisch so verschalten, daß etwa der Ausgang eines Moduls, das sehr langsame Schwingungen generiert (LFO), zum Eingang eines VCO wird und dessen Lautstärke moduliert. Ich will nicht in die Details gehen - aber man kann selbstverständlich(!) auch den Ausgang eines ADSR auf den Eingang eines LFO legen (und damit der Lautstärkenmodulation einen Verlauf geben), oder umgekehrt (den Verlauf der Lautstärke modulieren). Die Varianten sind unendlich, und von drastischem Einfluß auf den resultierenden Klang.

Das Ganze funktioniert nicht nur mit analoger Elektronik, sondern auch mit digitalen Klangerzeugern. Ein Beispiel ist der DX7 von Yamaha, der mit seinem Konzept der FM-Synthese echtes Neuland betrat (1983). Die grundlegenden Klänge werden nicht mehr vom VCO generiert, sondern von sechs Modulen, die lediglich reine Sinuswellen produzieren. Der Witz besteht hier darin, daß diese Module als "Operatoren" (Klangerzeuger) oder "Modulatoren" auftreten können, wobei letztere auf ein Operator-Modul geschaltet werden und dessen Frequenzverlauf (FM = Frequency Modulation) beeinflussen. Indem sich diese sechs Module zu einer ganzen Reihe von Algorithmen verknüpfen lassen [2], sind unglaublich komplexe Klänge möglich - die man hinterher noch mit dem bekannten Instrumentarium (ADSR, LFO, VCA, VCF, etc.) bearbeiten kann. - Richtig abgefahren wird es in den Nachfolgern [3], wenn die Module nicht nur Sinus-, sondern alle möglichen anderen Wellenformen abfeuern können - und dann auch noch gesampelte Klänge. Man stelle sich einen Sound vor, der auf einem Flötensample basiert, das von einem Cellosample moduliert wird - das erinnert nicht etwa an eines der Originale, sondern stellt etwas völlig Neues vor (wobei dieses Extrembeispiel einfach nur scheußlich klingen dürfte).

Leider ging mit der immer stärkeren Verbreitung von elektronischen Musikinstrumenten auch eine Verflachung der Konzepte einher. Immer mehr wurde es für die Hersteller wichtig, schon werkseitig Sounds anzubieten, die potentielle Käufer schon beim ersten Test des Instruments im Musikgeschäft beeindrucken konnten, statt mit innovativen Konzepten der Klangerzeugung auf sich aufmerksam zu machen. Schon im DX7 waren die vorprogrammierten Sounds häufiger in Studioproduktionen anzutreffen, als solche, die die User selbst kreiert hatten - legendär ist der Ruf des DX7, vom Laien nicht programmierbar zu sein, und selbst dem versierten Sounddesigner unvorhersehbare Überraschungen zu bieten [4]. Nach und nach gewannen dann sog. "Workstations" einen immer größeren Marktanteil, die sich durch eine große Auswahl an vorprogrammierten Klängen auszeichneten, auf die der User wenig oder auch gar keinen Einfluß mehr hatte. Einen gewissen Schlußpunkt in dieser Entwicklung ist die Einführung des GM ("General MIDI")-Standards, der 128 Sounds in 8 Bänken definiert, die in allen Geräten, die diesem Standard folgen, implementiert sein müssen: acht unterschiedliche Pianos, acht Gitarren, usf. Das ist praktisch, wenn man MIDI-Files tauschen oder publizieren will - für die Entwicklung der Synthis war das der endgültige Übergang in die Ära der "ROMpler": Geräte, die ausschließlich Samples abfeuern - mehr ein neuer Spaß im versammelten Multimedia-Spektakel, als Musikinstrumente.

  1. [1] Glossar:
    VCO: Voltage Controlled Oscillator (Tonerzeugung)
    ADSR: Attack/Decay/Sustain/Release (Hüllkurvengenerator - Lautstärkeverlauf eines Klanges)
    LFO: Low Frequency Oscillator (Vibrato)
    VCA: Voltage Controlled Amplifier (Modulation der Lautstärke)
    VCF: Voltage Controlled Frequency (Modulation der Frequenz - Stichwort "Filtersweeps")
  2. [2] Alle sechs Module als Operator, oder drei Operator-Module mit jeweils einem aufgeschalten Modulator, aber auch ein Modulator, der einen Modulator moduliert, der endlich einen Operator moduliert, etc.pp.
  3. [3] Ein TG77 vom Anfang der 90er steht noch neben meinem Schreibtisch.
  4. [4] Diese Meinung kann nur daraus resultieren, daß kaum jemand großartig bemüht war, sich mit der Sache ein wenig auseinander zu setzen.
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