19.11.2008

Musikproduktion am Computer (2)

(Themenanfang)

Angefangs war Musiksoftware fast ein Synonym für den reinen MIDI-Sequenzer. Irgendwann gab es die erste Audiospur – immerhin schon ganz zu Beginn in Stereo, – die freilich nur mit teurer Hardware (Karten mit DSP-Chips) realisierbar war. Heute sind auch weit mehr als 100 Audiospuren kein Problem mehr, und deren Processing bewältigt die CPU des Heim-PC.

Mittlerweile verschwimmen auch die Grenzen zwischen Audio und MIDI mehr und mehr. Am Anfang stand die Einführung von Samplern, Geräten also, die immer noch über MIDI gesteuert werden, aber ihren Sound generieren, indem sie Audioaufnahmen wiedergeben. Dabei stand zunächst längst nicht genug Speicherplatz und Bandbreite zur Verfügung, um etwa einen mehrminütigen Streichersound komplett im Speicher zu halten, und diesen dann auch noch für jeden einzelnen Ton über mehrere Oktaven – von den Limitierungen des Bussystems zu schweigen, womöglich noch mehrstimmige Akkorde an die Hardware zu schicken. Statt dessen wurde nur ein kurzer Schnipsel (eben ein „Sample”, ein „Beispiel”) aufgenommen, dessen Einschwingphase (das Attack, das für die Charakteristik akustischer Instrumente eine große Rolle spielt) beibehalten wurde, den man dann aber durch eine ständige Wiederholung in der Haltephase (einem Loop des Sustain) künstlich verlängerte. Außerdem wurde nicht jeder einzelne Ton "gesampelt", sondern nur z.B. drei Töne in einer Oktave; die übrigen Töne wurden dann durch Interpolation, durch „Pitchshift” künstlich generiert.

Mittlerweile sind Speicher und Bandbreite drastisch im Preis gefallen, und heutige Sample-Libraries enthalten über größere Zeiträume und mit jedem Halbton gesampeltes Material. Zudem brauchen sie längst keine spezialisierte Hardware mehr, sondern werden von Software abgespielt, die auf der Haupt-CPU läuft. In jenen frühen Tagen liegt jedoch der Anfang für eine Technik, die auch heute eine große Rolle spielt: Timestrech und Pitchshift.

Wenn man eine Aufnahme vom Tonband schneller laufen läßt, klingt sie gleichzeitig höher. Für digitales Audio gilt dies ebenso – was für einen Sampler höchst unerwünschtes Verhalten ist. Wenn man einen gesampelten Naturklang schneller abspielt, verliert er seinen Charakter und klingt sehr rasch unnatürlich („Mickey-Maus”–Effekt). Jene frühen Sampler aus den neunziger Jahren mußten Verfahren entwickeln, die wenigen Samples, die in ihre Speicher paßten, so zu „pitchen”, daß sie ihren Charakter nicht allzu drastisch einbüßen. Das war der Anfang einer Technologie, die heute mächtig genug ist, um in einer Liveaufnahme einzelne Töne zu verändern – selbst in den Pitchverlauf innerhalb eines einzelnen Tons läßt sich mittlerweile eingreifen (um z.B. unsauber intonierten Gesang zu begradigen).

Es gibt dabei eine Reihe von Auswirkungen auf die Ästhetik der heutigen Popmusik (die zu 99% im Computer produziert wird). Interessanterweise liegen die nicht nur in den objektiven Möglichkeiten, die selbst ein Studio im heimischen Wohnzimmer mittlerweile bietet, sondern auch in der Historie der Entwicklung jener Features.

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