7.11.2008

Über Rhythmik (12)

(Themenanfang)

Ani DiFrancos Gitarre und das Schlagzeug Andi Stochanskys bilden das Rückgrat der Musik DiFrancos der Jahre 1990-97, so auch auf dem Album "Dilate". In zwei Stücken werden hier jedoch Drumloops bzw. Drum-Sequencing eingesetzt – mit der Folge, daß, trotz aller Gitarrenarbeit, die Ebene der Rhythmik sehr viel flacher wirkt. Das klingt, als habe man da eine schwer bestimmbare Dimension weggenommen, oder als bräche plötzlich alle Räumlichkeit in sich zusammen. Beim direkten Aufeinandertreffen von Live-Grooves mit jenen aus dem Computer kann man diesen Effekt recht gut nachvollziehen.

Zunächst wäre jedoch festzuhalten, daß sich das Bewußtsein über diese Differenz bei relativ wenigen Hörern hält. Es wäre leicht, der Versuchung nachzugeben und dem Mainstream mit seiner seit mehr als zwanzig Jahren ununterbrochenen Produktion von maschinengesteuerten Drumsequenzen dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben, und anzunehmen, daß dies davor besser war. Ich weiß nicht, ob dies so ist – zumindest kann man immer noch und immer wieder Hörer finden, die intuitiv solche „Computermusik” ablehnen, und Musiker, die auch im Studio darauf insistieren, daß ihre Songs „von Hand” eingespielt werden.

In der Entwicklung der Musiksoftware spiegelt sich dies insofern wieder, als man einige Versuche unternommen hat, den Usern Möglichkeiten zum Aufweichen der „objektiven Time” in die Hand zu geben. (Ich verwende in der Folge den Begriff „Raster”, wenn ich mich auf den Puls in „objektiver Time” beziehe.)

  • Ganz am Anfang – bereits in den Hardware-Sequenzern Mitte der Achtziger – steht die Option, über Tempowechsel und -verläufe zu verfügen. Damit wäre es z.B. möglich, den Spannungsverlauf einer über einen vom Sequenzer generierten Background laufenden Improvisation dadurch zu unterstützen, indem man das Tempo nach und nach steigert – wobei man diese Anwendung in der Praxis kaum einmal findet.
  • Eine Funktion, die heute in keinem Sequenzer fehlt, ist ein einstellbarer „Swingfaktor”, mit dem man gerade Achtel zu triolischen Achtel und allen Stufen dazwischen verschieben kann. Das klingt noch lange nicht nach Swing, allenfalls nach dessen eigenartig verzerrtem Abbild – man beläßt es in der Regel auch bei hart quantisierten Achteln.
  • Eine weitere Möglichkeit findet man mit verschiedenen Verfahren, zufällige Abweichungen von der Quantisierung zu generieren. Man kann dann z.B. alle Achtel der HiHat um ein einstellbares Maximum zufällig um das Raster „pendeln” lassen.

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Möglichkeiten, auf dem Keyboard eingespieltes Material nachträglich zu quantisieren.

  • „Hartes” Quantisieren hat immerhin den Vorteil, daß die ursprünglichen Lautstärken der Noten erhalten bleiben – damit bleibt von der Live-Performance wenigstens die Ebene der (Offbeat-)Betonungen erhalten.
  • Beim „iterativen” Quantisieren werden die Noten nicht gewissermaßen auf dem Raster festgenagelt, sondern ihm nur angenähert; der User kann Vorgaben machen, in welchem Grad dies geschieht. Das setzt aber voraus, daß die zugrunde liegende Aufnahme tendenziell stimmig ist – man muß schon recht gut spielen können, um mit diesem Feature befriedigende Resultate zu bekommen.
  • Schließlich gibt es eine ganze Reihe von Versuchen mit sog. „Groove-Quantize”. Dabei werden die Aufnahmen von Profidrummern darauf analysiert, wo dort vom objektiven Raster abgewichen wird. Dabei versucht man gar nicht erst, etwas wie ein Regelwerk zu finden, das man als Ausgangspunkt für algorithmische Lösungsverfahren benutzen könnte. Statt dessen baut man Bibliotheken aus solchen Groove-Rastern, indem man zahlreiche konkrete Aufnahmen analysiert – der User hat hinterher die Auswahl.
  • In diesem Zusammenhang ist eine Technik erwähnenswert, mit der sich eine Schlagzeugaufnahme in einzelne „Slices” zerlegen läßt. Dabei wird eine Audiodatei nach „Peaks” durchsucht, welche sich durch unterschiedlich hohe Pegel den verschiedenen Instrumenten eines Drumsets zuordnen lassen. Auf diese Weise kann auch der User recht einfach neue Groove-Raster finden und seiner Bibliothek hinzufügen.

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