4.11.2008

Über Rhythmik (11)

(Themenanfang)

Mein Rekurs auf die Bedeutung des Offbeats für die Rhythmik im Popbereich ist verkürzt, und bietet in dieser Verkürzung letztlich keine Erklärung: sonst könnte man nämlich Computer so programmieren, daß sie „am Grooven sind” – und in dieser Hinsicht – und ich sage das bewußt so ungeschützt und apodiktisch – sind alle Versuche gescheitert. – Dafür sehe ich wesentlich zwei Gründe:

Zunächst ist es nicht so, daß es einfach nur „den” Puls gibt, aus dem sich dann eine für eine bestimmte Stilistik gültige Offbeat-Charakteristik ablesen ließe.

  • Es finden immer mehrere Ebenen – die der Halben, Viertel, und Achtel (Sechzehntel?!) – gleichzeitig statt und sind ineinander verzahnt – wenn etwa die „2” und „4” betont werden, sind gleichzeitig die Achtel mit eigenen Offbeats eingebettet oder kontrastieren dazu.
  • Die Offbeats sind nicht gleich viel „wert”; in der Reinform des Swing sind z.B. die Offbeats auf „2+” und „4+” betont, jene auf „1+” und „3+” kommen im Schlagzeug gar nicht vor. In anderen Stilistiken mag es sein, daß ein unregelmäßiges Auf und Ab in den Lautstärken eine Rolle spielt, wo dann nur noch die relativen Unterschiede zwischen Off- und Downbeats ins Gewicht fallen.
  • Eine große Rolle spielt, ob und wo die „1” betont ist. Es gibt Grooves, die völlig ohne „1” auskommen (Reggae); für andere ist es essentiell, daß sie als Gegenpol zu den Offbeats deutlich hör- und spürbar ist. – Usf.

Dies ist – mehr oder weniger – die Ebene der Organisation der Lautstärke einzelner rhythmischer Impulse. Wenn man versucht, sie mit einem Computerprogramm nachzustellen, läuft man zwar in zahllose komplexe Probleme, hat letztlich aber keine unlösbare Aufgabe vor sich.

Anders sieht es aus, wenn man sich auf die Ebene der Microgrooves begibt, wie ich dies nenne.

Selbst jene Musiker, die rhythmisch außerordentlich präzise „den Punkt treffen”, sind dies nicht in maschinenhafter – „objektiver” – Art und Weise. Es gibt immer ein winziges Schwanken, selbst wenn sie versuchen, es zu vermeiden – und ein Musiker, der die Bude zum Tanzen bringen will, wird den Teufel tun, diese Schwäche im Vergleich zur Maschine zu verstecken, ganz im Gegenteil: so wie ein Roboter nicht tanzen kann, sondern sich – allenfalls – als Imitat eines Menschen bewegt, produziert ein Musikprogramm vielleicht den faden Abglanz eines gut gespielten Schlagzeugs, aber kaum das reale Bild eines Drummers, der kontrolliert darauf losdrischt.

Da gibt es z.B. den Begriff des „lay back”, mit dem man den Eindruck beschreibt, daß ein Saxophon unglaublich lässig „hinter” dem Beat hängt, und den Drummer dazu zu verführen scheint, immer langsamer zu werden. Ebenso gibt es das Gegenteil, die nach vorne gelehnte Figur im Becken, die immer schneller werden will. Dann gibt es den Effekt, daß innerhalb einer – vier- oder achttaktigen – Phrase das Tempo anzuziehen scheint, um mit ihrem Ende in sich zusammenzubrechen und Luft zu holen. Und so weiter, es gibt zahllose solcher Beispiel, die immer eines gemeinsam haben: sie entfernen sich vom „objektiven” Puls – und die Regeln, nach denen sie dies tun, entziehen sich bislang – letztlich? – jedes Verstehens.

(Kommentarfunktion z.Zt. deaktiviert.)