Richard Wagner - Tristan und Isolde

Das Werk selber ist mir zu wichtig, um es bei einer kurzen Besprechung bewenden zu lassen - ich habe an anderer Stelle mit einem Bericht zumindest begonnen. Hier folgen drei Hinweise auf empfehlenswerte Einspielungen.


Eine ganz außerordentliche Aufnahme gibt es von Carlos Kleiber, aufgenommen 1982 mit der Staatskapelle Dresden, mit einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen Sängerschaft: René Kollo (ja, genau der René Kollo) - Tristan; Margaret Price (eine bekannte Mozartsängerin) - Isolde; Fischer-Dieskau - Kurvenal. Man bekommt hier eben keinen "typischen" Wagnergesang zugemutet, bei dem aus voller Seele ein Vibrato hingelegt wird, durch das man eine ganze Stuhlreihe werfen könnte; vielmehr wird mit sehr kontrolliertem Ausdruck gesungen (ja, auch von Kollo, obwohl man das kaum vermuten würde); gerade der strahlende Sopran von Margaret Price ist betörend.

Der eigentliche Star ist hier jedoch das Orchester, das weit mehr tut als nur den Gesang zu begleiten (wobei das bei Wagner ja eh nicht anders geht). Kleiber entwickelt die Partitur in einer Plastizität, die an einigen Stellen zentrale Details enthüllt, die mir zuvor noch beim Lesen der Noten entgangen waren. - Eigentlich wäre das die ganz große Empfehlung - mir fehlt aber eine Aufnahmetechnik, die das Riesenorchester wirklich "in den Raum stellt". In den achtziger Jahren war man mit der digitalen Technik noch ganz am Anfang, und das hört man hier leider deutlich.


Das Medium der DVD ist besser als jedes andere dazu geeignet, den Einstieg in eine Oper zu finden, die man noch nicht kennt: man kann sich nämlich Untertitel einblenden lassen. Auf diese Weise versteht man den Fortgang der Handlung, ohne daheim ständig im Text mitzublättern, oder, bei einer Live-Aufführung, diesen gar auswendig kennen zu müssen. - Der Mitschnitt einer Aufführung an der Bayrischen Staatsoper unter Zubin Mehta hat zwei extreme Stärken, und leider eine ebenso bedeutende Schwäche.

  • Die Isolde der von mir hoch geschätzten Waltraud Meier ist die beste Interpretation der Rolle, die derzeit zu haben ist: das ist die gestalterische Intelligenz einer Liedsängerin, verbunden mit einer unglaublichen Stimmgewalt. Ich habe die Meier mehrfach live erlebt, und ich muß all die enttäuschen, die vermuten, die Stimme sei nur mit Mitteln der Aufnahmetechnik in der Lage, sich über ein volles Orchester im fortissimo zu setzen: das geht auch ohne Mikrophon, und zwar sogar textverständlich, und ohne tremolierendes Schreien.
  • Die Inszenierung von Peter Konwitschny ist frech, witzig, kontrovers, und auf den Punkt - frech und witzig, weil z.B. im ersten Akt die große Kontroverse zwischen Tristan und Isolde ausgerechnet in dem Moment losbricht, als Tristan mitten am Rasieren ist, und er folglich mit einem halb von Rasierschaum verzierten Gesicht die Debatte um Schuld und Todestrank führen muß; oder weil im zweiten Akt, in der zentralen Liebes- und Sterbe-Wollen-Szene, Tristan als erstes - unter lautstarkem Rumpeln - ein quietschend buntes Sofa auf die Bühne zerrt. Kontrovers - denn genau so will diese Oper mindestens 90% des Publikums nicht aufgeführt sehen. Konsequent schließlich, weil die Darsteller nicht allein gelassen werden, sondern mit einem einzigartigen Timing geführt werden, das allen Konwitschny-Inszenierungen gemeinsam ist (beispielsweise stehen die Sänger, wenn sie zu singen haben, immer am Bühnenrand und zum Publikum gerichtet - um nur einen, dabei keineswegs unwichtigen Punkt zu nennen) [1].
  • Das große Manko - leider - ist der Tristan von Jon Frederic West. Ich stelle das mal als private Meinung ohne nähere Begründung in den Raum.

Schließlich meine Referenzaufnahme: Daniel Barenboim mit den Berliner Philharmonikern, wieder mit Waltraud Meier als Isolde, diesmal aber mit einem ebenbürtigen Tristan an ihrer Seite: Siegfried Jerusalem. Auch die "Nebenrollen" sind in Falk Struckmann (Kurvenal), Marjana Lipovsek (Brangäne), und dem ganz fabelhaften Matti Salminen (König Marke) bestmöglichst besetzt.

Barenboims Dirigat ist untadelig, aber auch - natürlich - nicht mit jenem Kleibers vergleichbar. Die Berliner klingen unglaublich gut, und zwar quer durch alle Instrumentengruppen, ohne jene "Peaks" wie etwas bei den Streichern der Wiener, oder den Holzbläsern beim Gewandhaus. Die Aufnahmequalität schließlich ist über alle Zweifel erhaben - eine vernünftige Anlage vorausgesetzt, erlebt man ein Orchester im eigenen Wohnzimmer, bei dem man fast schon jedes einzelne Pult der Geigen orten kann (man kann z.B. hören, daß Barenboim - leider - die Celli hinter den ersten Violinen plaziert, statt sie ihnen gegenüber rechts an den Bühnenrand zu setzen).

  1. [1] Peter Konwitschny war fünf Jahre lang der Lieblingsregisseur des Generalmusikdirektors der Hamburger Oper, Ingo Metzmacher - zu meinem großen Vergnügen. Über das Hamburger Musikleben muß ich demnächst noch die eine oder andere Anmerkung loswerden.