13.9.2008

Hören müssen (1)

Heute abend, lesend in meinem Zimmer drei Stockwerke hoch und noch ein wenig um die Ecke zum Lärm von der Barmbeker Straße, wurde die lautgestellte Radiomusik aus einem Auto weit unten, wartend vor der Ampel, zu mir hoch getragen; noch durch die geschlossenen Fenster meiner Wohnung hörte ich das Wummern von Bässen, gleichförmige wie betäubende Beats eines Computerschlagzeugs.

Ich konnte den Lärm erst nicht orten, und dachte einen Moment, daß die neue Nachbarin in der Wohnung über mir womöglich eine Einstandsparty feiert - was für eine Ironie, dachte ich: da sind die Nachbarn neben mir mit ihren beiden lauten, noch nicht schulpflichtigen Kindern mal für zwei Wochen im Urlaub sonstwo, und da beginnt dann das, was für mich der schlimmste Terror ist, den mir der Alltag bieten kann: unerwünschte Musik; aufgezwungene akustische Struktur.

Längst, nachdem das Auto weggefahren war, hörte ich über die nächste Stunde nur noch Musik - der Verkehrslärm verwandelte sich in den Sound von verzerrten Gitarren und das Gewummer einer Bassdrum. Ich habe immer wieder das Buch beiseite gelegt, und nach Strukturen gesucht; immer wenn ich endlich überzeugt war, keine zu finden, und es demnach nur mit zufälligem Straßenlärm zu tun habe, hat meine Erinnerung an den Lärm aus dem Autoradio ein Raster auf das nächste Geräusch gezwungen, und mich dazu gebracht, alle andere Aktivität fahre zu lassen, und wieder und wieder nur noch hörend zu suchen.

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