Notizbuch

Die Kaltmamsell stellt die Mode in Frage, den Begriff des "Natürlichen" inflationär zu verwenden:

„Nur mit natürlichen Inhaltsstoffen“, betont die Chefin der winzigen Münchner Kosmetikfirma, als sie mir ihre Karottencreme überreicht. No na, denke ich, Ameisensäure oder Arsen sind ja auch natürlich – deswegen möchte ich sie mir noch lange nicht ins Gesicht schmieren. Und reagieren Allergikerinnen nicht vor allem auf ganz besonders natürliche Stoffe mit Ausschlag? Warum also glaubt die Dame, dass die Natürlichkeit der Inhaltsstoffe etwas besonders Lobenswertes ist? Wie definiert sie wohl „natürlich“?

Die Kategorie des "Natürlichen" kommt immer dann ins Spiel, wenn der Mensch sich seines Fremdseins im eigenen Leben bewußt wird, und nach der Ursache sucht. Dabei ist schon die Fragestellung zweischneidig, weil sie letztlich eben jener Entfremdung entstammt, die sie überwinden will: der Mensch erlebt sich als uneins mit der Welt, in der er lebt - dabei ist die Welt das Produkt seines eigenen Handelns.

Natur ist das, was dem Menschen als Fremdes gegenüber tritt, was er gleichwohl sich aneignen und verändern kann. Gleichzeitig ist er selber ein Teil von ihr, als Kreatur, als ein Wesen, das von Bedürfnissen gesteuert wird, die sich seinem Willen nicht unterwerfen.

Indem er Natur verändert, verändert er sich selber, und wenn er sie beherrschen will, gelingt dies nur, indem er Herrschaft über sich selber ausübt.

Irgendwann dämmert es ihm, daß er fremdbestimmt ein Leben führt, das er nie wollte - und der Ausweg scheint zu sein, sich nach außen zu wenden. Dann besteigt er hohe Berge, ißt chemiefreie Nahrung, oder erkundet die Grenzen des eigenen Körpers (oder fährt Motorrad).

Tatsächlich führen diese Fluchtversuche letztlich dazu, jene Verhältnisse kitten, denen die Flucht galt: sie reproduzieren nämlich immer Gesellschaft.

[Das ist ein wenig arg thesenhaft; ich lasse das mal vorläufig so stehen, verweise auf den "Menschennatur"-Baukasten, und fordere mich hiermit selber auf, mal eine Definition des Begriffs von "Natur" zu schreiben, die meinen Standpunkt erzählt, statt ihn zu behaupten.]