16.6.2008

Netzwerkprodukte (18)

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Unter den Teenagern und Twens ist es heute eine Selbstverständlichkeit, sich des Internets zu bedienen, um miteinander zu kommunizieren. Eine wachsende Bedeutung gewinnen dabei Portale des "social net" wie Facebook oder MySpace, in Deutschland deren Kopien wie StudiVZ und SchülerVZ, die den fast schon "klassischen" Kommunikationsformen wie Foren und Chatrooms den Rang abzunehmen drohen.

Die Profile, die man hier anlegt, sind am ehesten mit einer eigenen Website vergleichbar, bieten darüber hinaus aber umfangreiche Möglichkeiten, sich mit den Seiten anderer Teilnehmer zu vernetzen. Der Sport besteht darin, möglichst viele virtuelle "Freunde" einzusammeln, die das eigene Online-"Leben" privilegiert begleiten, etwa, indem sie exklusiven Zugriff zu Tagebuchnotizen oder Bildern bekommen.

Neu ist das nicht: bei Twitter nennt man das "Followers", in den Blogs gibt es die "Blogroll", im wirklichen Leben ist es die Clique, in der man die Köpfe zusammensteckt und die Fotos von der letzten Party - mehr oder weniger hämisch - kommentiert. Dennoch erscheint es vielen Kolumnisten bedrohlich, was die jugendlichen Nutzer über sich selbst in der Öffentlichkeit preisgeben, bzw. was sie über andere dort äußern.

Tatsächlich bleibt es nicht ohne Folgen, wenn man via Google die Spuren all derer über Jahre und Jahrzehnte verfolgen kann, die sich unbedacht geäußert oder Fotos der letzten Sauftour oder gar ein privates Sexvideo online gestellt hatten. Der Personalchef, der eine Bewerbung abklopft, mag sich über solch freimütige Auskunft bedanken. Und nein: die Tatsache, daß jemand ein Medium zu nutzen versteht, heißt längst nicht, daß er sein Funktionieren begreift - soll sagen: die Teens und Twens verfolgen hier ihre eigenen Zwecke, ohne die Konsequenzen zu bedenken.

Auch der Hohn, den man über Lehrer oder pickelgesichtige Mitschüler ausgießt, ist keine Erscheinung, für die es Computer braucht - Netzwerke, die solchen verbreiten, gab es schon immer. Natürlich macht es aber schon einen Unterschied, ob die Information, daß Mitschüler Maier regelmäßig von seinem Vater verprügelt wird, oder daß Lehrer Müller eine Schülerin vögelt, in einem Schulgebäude zirkuliert, oder ob man sie weltweit ergoogeln kann.

Dennoch sollte man die Kirche im Dorf lassen. Die wirklich extremen Excesse sind schon immer vom Boulevard recherchiert und in die Breite getragen worden - und die Tatsache, daß 90% der SchülerVZ-User dem Lehrer Schmidt ein "Ungenügend" verpassen, regt das Umfeld ebenso sehr auf wie vor hundert Jahren, wie es den Rest der Welt nicht im mindesten interessiert.

[Ich unterbreche mal - vorläufig. Von Malte Welding gibt es im Zusammenhang einen lesenswerten Artikel. Dagegen kapituliert die ehrenwerte ZEIT letztlich vor dem Thema - sie kommt zu dem Schluß, daß die Kinder scheitern, weil ihre Eltern sie nicht in die Online-Welt begleiten können - wobei sie komplett übersieht, daß die Eltern aus meiner Generation kommen, die in vielen Dingen mehr von einer von Computern bestimmten Welt kapiert, als jene, die nichts anderes kennt.]

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