Menschennatur (3)

(Themenanfang)

Die Welt ist eine glatte Oberfläche, und alle, die sich in ihr bewegen, sind unaufhörlich am Rutschen. Ich kenne niemanden, der nicht darunter leidet, unverstanden von der Unverbindlichkeit seiner Mitmenschen in letztlich unabwendbare Einsamkeit verwiesen zu sein (mich selber eingeschlossen).

Jeder Mensch, der einem gegenüber tritt, besteht jedoch zwangsläufig immer nur aus Oberfläche - man kann eben nur unter die eigene Oberfläche sehen. Worunter man eigentlich leidet, ist eine Einsamkeit, die sich daraus ergibt, daß es unzählbar viele "Du" gibt, aber nur dieses einzige "Ich".

Der Gegenentwurf zu dieser Haltung kommt von einem Mönch, der in seiner Jugend ein bedeutender Naturwissenschaftler war - Blaise Pascal (1623-1662) sagt:

Alle Körper, das Firmament, die Sterne, die Erde und die Naturreiche zählen nicht so viel wie der kleinste der Geister; denn er weiß von alldem und von sich selbst, und der Körper von nichts. Und alle Körper und alle Geister zusammen und alle ihre Werke zählen nicht so viel wie die geringste Regung der Liebe; denn die Liebe gehört einer unvergleichlich erhabeneren Ordnung an.
Aus allen Körpern zusammen könnte man nicht den kleinsten Gedanken bilden: das ist unmöglich, er ist von anderem Range. Alle Körper und alle Geister zusammen vermögen nicht eine einzige Regung wahrer Liebe hervorzubringen: das ist unmöglich, sie ist von anderem, durchaus übernatürlichem Range.

(Wenn Pascal von Liebe spricht, meint er natürlich - als Mensch des Barock - die Liebe zu Gott. Aber einen Text definiert nicht die Intention seines Autors, sondern die Reaktion dessen, der ihn liest.)