13.4.2008

Beethoven hören - Anmerkung zur Frage der eigenen Identität

Es gibt Musik, die begleitet mich mein ganzes Leben. Manche Werke höre ich seit mehr als dreißig Jahren wieder und wieder, und ich erschrecke regelmäßig, wie neu sie mir manchmal vorkommen - dann ist es, als hätte ich sie nie erlebt.

Es gibt sicherlich einige Werke, die ich so selten - oder getrennt durch so große zeitliche Pausen - gehört und deshalb schlicht vergessen hatte. Bei denen ist es kein Wunder, wenn sie mir so frisch erscheinen.

Es gibt aber auch Kompositionen, die ich intensiv studiert habe, und regelmäßig besuche. Auch bei denen ändert sich gelegentlich mein Bezug - und zwar nicht immer nur im Kleinen - etwa, wenn ich eine harmonische oder thematische Nuance entdecke, die mir zuvor entgangen war - sondern gelegentlich im Grundsätzlichen.

Von meiner späten Wertschätzung Schuberts und Mozarts habe ich bereits berichtet (von Haydn wird noch zu erzählen sein). Eben ist mir ein ganz alter Bekannter, Beethovens Streichquartett B-Dur, op. 130, begegnet - und erwies sich als Alien.

Beethovens späte Streichquartette sind ein Ehrfurcht gebietendes Monument, vor dem ich bereits als Teenager staunend gestanden habe, ohne es anders als durch die Augen Fremder bewundern zu können. Vor zehn Jahren habe ich mich durch die Noten sowie das Standardwerk von Kerman gearbeitet (well - nicht mit dem Ziel, eine Doktorarbeit zu schreiben...), und hatte einen echten Zugang - immer noch staunend, aber nicht mehr ratlos.

Heute abend habe ich op.130 einfach gehört, und bin in dem Bogen, der die sechs Sätze verbindet, ohne Fragen zu stellen versunken.


Ludwig van Beethoven
Die Streichquartette
Gewandhaus-Quartett
NCA (10 CDs)

Die Box ist wohl zu teuer, wenn man nur einen ersten Eindruck sucht. Die Leipziger spielen aber mit derartiger Hingabe und Präzision - im Agogischen wie in der Intonation (letzteres muß man ja, wenn es um Streichquartette geht, zuweilen betonen) - daß der Kauf sich lohnt. Die Aufnahmetechnik ist excellent: die diversen Leipziger Kirchen, in denen die Aufnahmen entstanden, bringen eine natürliche, dichte Räumlichkeit, die den Einsatz von digitalen Effekten überflüssig werden ließ.

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